Freiheit statt Kapitalismus
von zehn bis zwölf Finanzgiganten beherrscht. Maximal 20 Instituten weltweit ist es erlaubt, auf dem goldenen Parkett des sogenannten Primärmarkts mitzuspielen, also da, wo die billionenschwere Flut der unterschiedlichsten Papiere zusammengebastelt wird, bevor sie über die Sekundärmärkte an die Investoren weitergereicht werden. Dieses Privileg der Investmentbanker auf den ersten Zugriff ist gesetzlich geschützt, und die sogenannten »Primary Dealer« sind von vielen Regulierungen ausgenommen, die für alle anderen Marktteilnehmer gelten.
Wer irgendwo auf dieser Welt eine größere Zahl Aktien oder Unternehmensbonds auf den Markt bringen will, braucht also zwingend eine Dienstleistung, die weltweit nur eine Handvoll Institute anbieten darf. Auch die Verschuldung der Staaten, soweit sie über Anleihen finanziert wird, geht Dollar für Dollar und Euro für Euro durch die Hände dieses Kartells. Aus ihrer Küche kommen alle Arten von Schuldverschreibungen sowie sämtliche Derivate und »Finanzinnovationen«. Selbstverständlich machen die Investmentbanker bei jedem dieser Geschäfte einen satten Schnitt, bevor sie die Papiere weiterreichen, einen Schnitt, der auch deshalb kräftig ausfällt, weil sie keinerlei Konkurrenz von außen fürchten müssen. Wer nicht zum erlauchten Zirkel gehört, hat keinen Zutritt zu diesem Markt, der mit einem Umsatzvolumen von hunderten Billionen der größte Einzelmarkt ist, den es auf diesem Planeten überhaupt gibt.
»Wie passt ein überhöhter Preis mit dem scharfen Wettbewerb zusammen?«, fragt die Investmentbankerin Susanne Schmidt in
Markt ohne Moral
und meint damit den Wettbewerb der Investmentbanken untereinander. Ihre Antwort lautet:
»Das große Investmentbanking wird weltweit von einem Oligopol betrieben, etwa einem Dutzend Banken. So scharf der Wettbewerb innerhalb des Oligopols auch sein mag, die Verkaufspreise werden imWesentlichen eingehalten, Preiswettbewerb findet kaum statt, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.« 41
Auch der Ulmer Ökonom Dirk Solte, Privatdozent an der Universität St. Gallen und Chefökonom des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, schreibt in seiner überaus lesenswerten Studie
Weltfinanzsystem am Limit:
»Akteure des Primärmarktes haben Einfluss auf die Platzierung von Risiko und Ertrag und können dies gezielt steuern.« 42 Das tun sie natürlich so, dass möglichst viel Risiko bei anderen landet und möglichst viel Ertrag auf ihrem eigenen Konto.
So teilen sich seit Jahren sieben Großbanken mehr als 90 Prozent des Derivatehandels mit einem Handelsvolumen von über 200 Billionen Dollar. Der Markt für Kreditausfallversicherungen (CDS), der vor der Krise ein Volumen von 60 Billionen Dollar hatte, wird von nur fünf Giganten beherrscht: J. P. Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, die Barclays Group und die Deutsche Bank, die bei jeder Zockerei ganz oben an der Weltspitze mitspielt. Auch bei Futures, Swaps, Optionen und Kreditderivaten tauchen immer wieder die gleichen Finanzriesen in marktbeherrschender Stellung auf.
Sie sind selbstverständlich auch die Einzigen, die einen wirklichen Einblick in den Markt haben, ein Vorsprung, der sich auszahlt, wie wir bei den amerikanischen Hypothekenpapieren gesehen haben. Während das »stupid money« der Außenseiter die Papiere noch kaufte, wussten die Investmentbanker, was sie da verpackt hatten, und wetteten auf den Zusammenbruch des Marktes.
Master of the Universe
Dabei brauchen die Investmentbanker auf manchen Teilmärkten noch nicht einmal viel Geld, um Preisbewegungen nach oben oder unten auszulösen. Dies galt beispielsweise für den Markt der »Collateralised Debt Obligations« (CDOs), der Kreditderivate, die bei der Verbriefung amerikanischer Hauskredite eine so wichtige Rolle spielten. Obwohl die Investmentbanker bereits 2005 anfingen, milliardenschwer auf den Wertverfall der CDOs zu wetten, kam der Verkauf dieser Produkte danach erst richtig auf Touren. Wenn Daimler beginnen würde, Wettendarauf abzuschließen, dass dem Mercedes einer bestimmten Bauserie bald die Bremsen versagen, dürfte der Absatz dieser Wagen vermutlich drastisch zurückgehen. Der CDO-Markt war unübersichtlich genug, um diesen Effekt zwei lange Jahre hinauszuzögern. Außer den Investmentbankern waren es eben nur wenige große Investoren, die das Privileg hatten, sich an diesem Wettspiel überhaupt beteiligen zu können. Denn die Banker entscheiden, wen sie in den Raum
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