Freiheit statt Kapitalismus
mit der Geldmaschine einlassen und wen nicht. Wer mit weniger als 100 Millionen Dollar Einsatz dabei sein wollte, hatte keine Chance.
Auch für Kreditausfallversicherungen (CDS) gibt es keinen öffentlichen Markt. Der Preis dieser Finanzkonstrukte wird ebenfalls individuell zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt. Sitzen bei all diesen Deals die immer gleichen fünf bis sieben Finanzhäuser auf mindestens einer Seite, heißt das letztlich: Der Preis entwickelt sich so, wie Goldman oder Deutsche Bank das wollen. Über diesen Preis aber können die Preise anderer Finanzprodukte direkt gesteuert werden. So wird der Wert einer Kreditausfallversicherung auf Anleihen als Indikator dafür aufgefasst, wie sicher diese Anleihen sind. Wenn sie als sicher gelten, verlangen die Anleger weniger Zinsen, also steigt ihr Kurs. Macht sich dagegen der Verdacht breit, es sei irgendwas im Busche, geht der Kurs nach unten. Ein schönes Geschäft besteht also darin, bestimmte Anleihen leerzuverkaufen und zugleich den Wert der CDS auf sie hochzutreiben. Die teureren CDS führen dann meist zu einem tatsächlichen Kursverlust bei den Anleihen, also einem schönen Profit für den Leerverkäufer.
Diese Spielchen finden nun aber nicht in einem Wettbüro statt, sondern haben drastische Auswirkungen auf das wirkliche Leben. Ein Unternehmen, dessen Anleihen im Wert fallen, muss für neue Schulden wesentlich mehr Zinsen zahlen, kann also weniger investieren. Auch ganze Staaten können dadurch – siehe Griechenland – in große Schwierigkeiten gebracht werden. Viele Bewegungen auf den heutigen Anleihemärkten gehen auf derartige Geschäfte einer Handvoll Investmentbanker zurück, die sich daher mit gutem Grund als »Master of the Universe« fühlen. Der Schluss von Michael Lewis mit Blick auf weite Teile des heutigen globalen Finanzmarktes lautet: »Dieser weltgrößte Markt ist gar kein Markt, er ist irgendetwas anderes – aber was?« 43
Lewis, der selbst im Investmentbanking tätig war, bestätigt in
The Big Short
auch, dass der Markt für Bonds und Kreditpapiere – im Unterschied zum Aktienmarkt – zur Ausnutzung von Insiderinformationen geradezu einlädt: »Bondhändler können Insiderinformationen ausbeuten, ohne Sorge zu haben, erwischt zu werden.« Gerade wegen der »Undurchsichtigkeit und Komplexität des Rentenmarktes« können »astronomische Beträge mit der Angst und der Unwissenheit der Kunden« verdient werden. 44
Gekaufte Gütesiegel
Überhaupt sind die Nutzung von Insiderinformation und bewusste Manipulation in dem engen Filz der heute auf den großen Finanzplätzen präsenten Akteure gang und gäbe. Eine wichtige Rolle in dem faulen Spiel haben auch die Rating-Agenturen, von denen es weltweit drei gibt: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Ihre Bewertung von Finanzpapieren entscheidet über deren Preis und damit über Milliardengewinne, wobei sich in regelmäßigen Abständen herausstellt, dass die Bewertungen kompletter Nonsens sind. Wenn man wissen möchte, warum das so ist, muss man sich einfach nur das System ansehen, in dem die Ratings entstehen.
Stellen wir uns vor, die Stiftung Warentest wäre eine profitorientierte Organisation, die von den Herstellern dafür bezahlt würde, dass sie ihre Produkte bewertet, ja, es gäbe sogar drei »Stiftungen Warentest«, wobei die Hersteller sich aussuchen könnten, welcher der drei sie den Auftrag geben. Außerdem gäbe es eine gesetzliche Regelung, dass Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Behörden nur Produkte kaufen dürfen, die das höchste Qualitätssiegel einer dieser Stiftungen erhalten haben. Selbstverständlich wird kein Hersteller eine Stiftung dafür bezahlen, dass sie ihm dieses Geschäft vermasselt. Bezahlt wird dafür, dass sie es ihm verschafft. Würden Sie unter solchen Umständen die Gütesiegel der Stiftung Warentest noch ernst nehmen?
Dabei ist das korrupte Geflecht so noch nicht mal vollständig beschrieben. Denn die Rating-Agenturen werden nicht nur von den Finanzhaien bezahlt. Sie gehören ihnen. Das wäre so, als wenn unsere oben betrachteten drei Stiftungen Warentest etwa der MolkereiketteQuark, dem Papierhersteller Grau und dem Autobauer Friss-Sprit gehören würden. Würden Sie sich dann noch fragen, warum alle Kinder im Kindergarten mit den fad schmeckenden Molkereiprodukten von Quark traktiert werden, alle Schüler auf dem faserigen Papier von Grau schreiben müssen und die Dienstflotte sämtlicher Minister aus Friss-Sprit-Autos
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