Freiheit statt Kapitalismus
Versicherungen, ja möglichst sogar die Sozialversicherungen zu Giftmülldeponien für verbriefte Kreditpapiere entwickeln. Man kann also nur dankbar sein, dass ein Jahr später die Finanzkrise ausbrach und der ABS-Markt kollabierte, so dass entsprechende Pläne zunächst nicht umgesetzt werden konnten.
In dem Aufsatz gibt Asmussen im Übrigen ausdrücklich nicht seine Privatmeinung wieder, sondern der Titel lautet: »Verbriefungen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums«. Der Finanzminister, dessen »Sicht« so freimütig dargestellt wurde, hieß damals Peer Steinbrück. Abschließend gibt der kurz vor seiner Beförderung zum Staatssekretär stehende Asmussen noch seiner Überzeugung Ausdruck, dass »die Kreditversorgung einer Volkswirtschaft … davon ab[hängt], inwieweit eine moderne Kapitalmarktgesetzgebung eine Integration in die weltweiten Finanzierungskreisläufe … bewirken kann«.
2007/2008 fielen die sorgsam aufgetürmten Kartenhäuser in sich zusammen und es stellte sich heraus, dass die »Integration in die weltweiten Finanzierungskreisläufe« so perfekt gelungen war, dass die Problemaktiva deutscher Banken auf 800 Milliarden Euro angewachsen waren. 34 800 Milliarden Euro, das war annähernd das Doppelte des damaligen Eigenkapitals aller deutschen Institute und das fast Dreifache der problematischen Kredite, die die deutschen Banken 2003 in ihren Büchern hatten und deren Verringerung das erklärte Ziel der ganzen Verbriefungsaktion gewesen war.
Die Verbriefungseuphorie hat also per Saldo in keiner Weise dazu beigetragen, dass die Banken ihre faulen Kredite an einen Dummkopf am anderen Ende der Welt weiterreichen konnten oder deutsche Mittelständler besseren Zugang zu Krediten erhielten. Die Mästung des Schattenbankensystems hat vielmehr dazu geführt, dass ein milliardenschweres Endlager für globalen Finanzmüll entstanden ist, das dem deutschen Steuerzahler heute schwer auf der Tasche liegt. Die Investmentbanken, einschließlich der deutschen, haben den ihnen mit der »Initiative Finanzstandort Deutschland« gebotenen Zugang zu potentiellen Käufern weidlich ausgenutzt.
Stupid German Money
Es wird wohl nie wirklich rekonstruiert werden können, wie viel von dem Finanzschrott in den Büchern der IKB und der Landesbanken, für den wir alle heute bluten, den Händen smarter Investmentbanker aus dem Hause Ackermann entstammt. Sicher ist, dass es sich um große Beträge handelt. »Neben Goldman war die Deutsche Bank führender Marketmaker für abstruse Hypothekenderivate«, 35 schreibt der Wirtschaftspublizist und ehemalige Investmentbanker Michael Lewis in seinem Buch
The Big Short
. Lewis schildert detailliert, wie die Investmentabteilungen insbesondere von Goldman Sachs und Deutscher Bank sich eine goldene Nase damit verdienten, US-Häuserkredite in entsprechende Papiere zu verpacken und in alle Welt zu verkaufen, obwohl sie bereits seit 2005 davon überzeugt waren, dass diese Kredite faul waren und somit die auf ihrer Grundlage gebastelten Papiere wertlos werden würden.
Teilweise wurden die Verbriefungen sogar extra so konstruiert, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit besonders hoch war, weil die Banken dann nicht nur am Weiterverkauf dieses Finanzschrotts verdienen konnten, sondern auch an Wetten auf dessen Wertverfall, die sie ebenfalls anboten und verkauften. Nicht selten wetteten sie auch selbst gegen die eigenen Papiere. Der Leiter der ABS-Sparte der Deutschen Bank an der Wall Street, ein junger Investmentbanker namens Greg Lippmann, fuhr mit solchen Wetten 2007 einen grandiosen Gewinn von 1 Milliarde Dollar für sein Institut ein.
Tatsächlich hatte Lippmann, wie das
Handelsblatt
in Erfahrung brachte, bereits 2005 eine Analyse auf dem Tisch, die den sicheren Absturz der Hypothekenpapiere in den folgenden Jahren prognostizierte. Das war für die Deutsche Bank aber kein Grund, den Verbriefungsmotor auch nur zu verlangsamen. Im Gegenteil, sie drehte ihn 2006 und 2007 erst richtig hoch, achtete allerdings darauf, die Papiere nicht in den eigenen Büchern zu behalten. Lippmann arrangierte zeitgleich jene milliardenschweren Wetten auf den erwarteten Crash, die ihn später zum Star machen sollten. »Damit ist klar«, stellte das
Handelsblatt
fest, »dass die Bank trotz der Warnungen nicht davor zurückschreckte, weiter munter Häuslebauer-Darlehen zu bündeln und unterkräftigen Provisionen zu verbriefen. Hauptsache, das eigene Portfolio bleibt sauber.« 36
Michael Lewis schildert in seinem
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