Freiheit statt Kapitalismus
besteht?
Natürlich werden in diesem Filz auch jede Menge Insiderinformationen zu Geld gemacht. Die Rating-Agenturen etwa bekommen Einblick in die Bücher eines Unternehmens, bevor sie ihre Note abgeben. Wer vor der Herabstufung erfährt, dass etwas faul ist, ist schnell um ein paar Millionen reicher. Das ist natürlich nicht legal, aber wer kontrolliert schon Gespräche bei der Grill-Party oder im Fitnessraum.
Too big to jail? – Bernie Madoffs große Brüder
Tatsächlich fliegen immer wieder verbotene Insiderdeals von Investmentbankern oder Hedge-Fonds auf, die ihre Informationen aus Rating-Agenturen oder von Freunden an der Spitze von Konzernen zu Geld machen. »Es ist gar kein Geheimnis«, schreibt der Schweizer Wirtschaftsautor Leo Müller in seinem Buch
Bank-Räuber
, »dass viele reiche Investoren jahrelang insgeheim auf diese besondere ›Qualität‹ von Hedge-Fonds-Managern setzten … Sie hofften darauf, dass die Manager mit geheimen internen Informationen über geplante Unternehmenskäufe, drohende Gewinnwarnungen oder ähnliche kursverändernde Daten ausgestattet waren.« 45 Müller meint, »dass illegaler Insiderhandel ein Massenphänomen geworden ist«, 46 und verweist darauf, dass die verdächtigen Handelsaktivitäten bei Fusionen, Käufen und Verkäufen bereits 2006 in den USA auf 49 Prozent angestiegen sind. Das bedeutet: Bei der Hälfte aller Transaktionen gab es Vorabwisser.
Dem Fondsmanager Bernie Madoff wurde vorgeworfen, 50 Milliarden Dollar in einem Schneeballsystem veruntreut zu haben. Er wurde dafür zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt und als größter Betrüger aller Zeiten diffamiert. In Wahrheit ist er im Vergleich zu dem, was an den großen Finanzplätzen dieser Welt tägliche Routine ist, nur ein kleiner Vorstadtganove.
Die Billionen, die der Steuerzahler als Erste-Hilfe-Leistung in die Reanimierung des 2008 ins Koma gefallenen Finanzsystems gesteckt hat, sind weg. Weitere Zahlungen werden still und leise dahin geleitet, wo sich erneut ein Loch auftut, das es zu stopfen gilt. Ein Nachschub von 40 Milliarden Euro Garantien für die HypoRealEstate im Herbst 2010 wird von der Öffentlichkeit kaum noch zur Kenntnis genommen. Warum auch, hat jeder doch das ungute Gefühl, dass das ohnehin noch längst nicht alles war.
Die EU-Kommission will herausgefunden haben, dass sich noch Giftpapiere im Gesamtvolumen von 18,2 Billionen Euro in den Tresoren der europäischen Banken befinden. 47 Das würde bedeuten, dass rund 44 Prozent aller Vermögenswerte der EU-Banken entweder faul oder unverkäuflich wären. Der Bericht wurde im britischen Telegraph lanciert, dann allerdings flugs dementiert und seither mit einem Mantel des Schweigens umhüllt. Eine korrigierte Schätzung hat man sicherheitshalber gar nicht erst unternommen. Nichts Genaues weiß man nicht – und will man wohl auch besser nicht wissen.
Die Finanzmafia macht weiter
Aber das Fass ohne Boden wird weiter fleißig mit Jauche gefüllt. Denn nahezu alles, was in diesem Kapitel beschrieben wurde, setzt sich fort. Mit tatkräftiger Unterstützung der Zentralbanken und viel Steuergeld wurde der Verbriefungsmarkt zu neuem Leben erweckt. »Es geht wieder was. Banken ziehen Kreditverbriefungen erfolgreich durch«, meldete die
Financial Times
im September 2010. 48 Im ersten Halbjahr 2010 wurden allein in Europa neue Kreditverbriefungen (eben jene ABS-Papiere) im Volumen von 192 Milliarden Euro von den Investmentbankern zusammengeschnürt, 54 Milliarden davon wurden an Investoren verkauft. Der Rest wurde erst mal bei der EZB abgelegt.
Selbst die Hydra der Private-Equity-Haie hebt erneut ihr Haupt. Erste Deals im Milliardenbereich gehen wieder über die Bühne. Derivate und Spekulationspapiere befinden sich unverändert auf jenem seltsamen Markt, der keiner ist, und neue kommen hinzu. Goldman und Deutsche Bank verdienen und verteilen Dividenden und Boni, sie wetten, manipulieren und profitieren, als hätte es die Krise nie gegeben.Genauer: Sie profitieren mehr, gerade weil es die Krise gab. Denn die einzige tatsächliche Veränderung seit dem Crash besteht darin, dass die Zahl der Giganten kleiner und diese noch größer geworden sind.
Im Zuge der Krise rollte eine Welle der Fusionen und Zusammenschlüsse durch die Finanzindustrie, die politisch unterstützt, in vielen Fällen sogar mitfinanziert wurde. So war die staatliche Finanzspritze für die Commerzbank in Deutschland in Höhe von über 18 Milliarden Euro vor allem deshalb
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