Freiheit statt Kapitalismus
denen keinerlei reale Wirtschaftsaktivität zugrunde liegt, die aber mit ihren wachsenden Zins- und Renditeansprüchen ebendiese Wirtschaftsaktivität zunehmend hemmen.
3. Die ausgezehrte Welt-AG
»Wenn die Kapitalentwicklung eines Landes das Nebenerzeugnis
der Tätigkeit des Spielsaals wird, wird die Arbeit
voraussichtlich schlecht getan werden.«
John M. Keynes
»Einer meiner früheren Chefs meinte, wir seien nicht hier,
um Geld zu sparen, sondern um Geld zu verdienen. Er war
eine Ausnahme.«
Katharina Weinberger, Managerin
Es läuft ziemlich schief. Nicht nur bei den Banken, auch in der sogenannten Realwirtschaft. Vor allem große börsennotierte Unternehmen pflegen seit Jahren, in den USA und Großbritannien seit Jahrzehnten ein Geschäftsmodell, das nicht nur den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaften untergräbt, sondern in zunehmendem Maße auch ihre wirtschaftliche Basis. Nicht genug, dass Rekordprofite mit rücksichtsloser Lohndrückerei einhergehen und Entlassungswellen von steigenden Aktienkursen oder Dividendenerhöhungen belohnt werden. Die Weltkonzerne haben sichtlich auch immer weniger Interesse an den Kernaufgaben eines Wirtschaftsunternehmens: an Forschung und Innovation, an langfristigen Investitionen, an höchster Qualität, an den Kundenwünschen, sofern es sich nicht gleich um Großkunden handelt.
Gewinngebadete Investitionsmuffel
Obwohl die Gewinne der Unternehmen heute einen größeren Teil der globalen Wertschöpfung abgreifen als jemals seit Ende des Zweiten Weltkriegs, ist die Investitionstätigkeit matt wie nie zuvor. Wurden in den siebziger Jahren weltweit noch 24 Prozent der Wirtschaftsleistung investiert, ist dieser Anteil auf 23 Prozent in den Neunzigern und 21 bis 22 Prozent seit der Jahrtausendwende gesunken. Rechnet man China und andere Schwellenländer, in denen unverändert fleißig investiert wird, heraus, ist der Niedergang noch dramatischer.
So hatte die deutsche Wirtschaft mit einem Anteil der Bruttoinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 25 Prozent im Jahr 1970 noch einen Spitzenplatz unter den OECD-Ländern. 2008 waren es gerade noch 18,2 Prozent.
Noch tiefer gefallen ist der BIP-Anteil der Nettoanlageinvestitionen, also jener Investitionen, die tatsächlich in eine Erweiterung oder Verbesserung der Produktionskapazitäten fließen. Der Anteil dieser Investitionen an der Wertschöpfung lag 2010 in Deutschland bei jämmerlichen 2,9 Prozent. Selbst 2007, auf der Spitze des »Booms«, waren es nur 4 Prozent. Zum Vergleich: In den Siebzigern lag dieser Wert bei gut 15 Prozent, in den frühen Neunzigern zumindest noch bei 10 Prozent.
Und Deutschland ist kein Einzelfall. Laut EZB haben sich die Nettoanlageinvestitionen der Kapitalgesellschaften im Euroraum in den vier Quartalen bis zum zweiten Quartal 2010 gerade mal auf 149 Milliarden Euro belaufen – oder auf 1,6 Prozent des BIP. In Amerika hat der Unternehmenssektor im dritten Quartal 2010 Nettoanlageinvestitionen von 0,9 Prozent des BIP vorgenommen. Kläglicher geht’s bald nicht mehr.
»Es ist viel die Rede von der Gier der Banken«, kommentierte die
Financial Times Deutschland
kürzlich. »Aber in den nichtfinanziellen Firmen hat sich längst die gleiche Geisteshaltung durchgesetzt. Es geht um kurzfristigen Gewinn – auf Kosten von Forschung, Investitionen und Allgemeinheit. Auf Betreiben der Firmen sind in Deutschland seit den 90ern die Unternehmenssteuersätze in etwa halbiert worden. Doch was haben die Firmen – außer Ausschüttungen und Übernahmen – mit ihren Reichtümern gemacht?« 54
Weggesparte Professionalität
Höhere Profite durch niedrigere Kosten, lautet das Mantra der Konzernlenker. Statt den Unternehmenserfolg langfristig durch überlegene Produktqualität oder innovative Spitzenleistungen zu sichern, geht es um kurzfristige Rendite, von Quartal zu Quartal. Um diese auf das von den Börsenanalysten erwartete Maximum zu heben, werden leistungsfähige Unternehmen so lange durch die Kostensparmangel gedreht, bis von ihnen nur noch ein ausgezehrtes, ideenloses Gebilde übrig bleibt. Ein besonders trauriges Beispiel dafür, wohin eine solche Strategie führt, bieten die US-Autobauer. Aber die dahinterstehende Managementphilosophie hat sich in den letzten 15 Jahren in den meisten börsennotierten Konzernen durchgesetzt, auch in Europa. Die firmeninterne Kreativität konzentriert sich in solchen Unternehmen nicht mehr auf die Entdeckung neuer Marktchancen oder
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