Freiheit statt Kapitalismus
erheblicher Teil der Neuverschuldung wird auch dafür verpulvert, Zinszahlungen zu finanzieren. In diesem Fall kommt das Geld gar nicht erst beim Finanzminister an, sondern wird bei der Bank nur von einem Konto auf ein anderes umgebucht.
Der Irrtum der Geldmengenmesser
Eine intuitiv eingängige, aber im Kern dennoch falsche Geldtheorie, die bis heute in der Wirtschaftswissenschaft und auch bei einigen ZentralbankenWertschätzung genießt, ist die Quantitätstheorie. Diese Theorie besagt, dass der Wert einer Geldeinheit bei Papierwährungen (also solchen, die ihren Wert nicht von einem Edelmetall wie Gold oder Silber ableiten) von der Menge der Geldeinheiten und ihrer Umlaufgeschwindigkeit in Relation zur Warenmenge abhängt.
Unmittelbar scheint das plausibel zu sein. Nehmen wir an, alles, was sich auf dem Markt befindet, sind tausend Brote. Außerdem verfügen die Menschen, die gar nichts anderes kaufen können als diese Brote, zusammen über 1000 Euro. Dann schließt der Quantitätstheoretiker messerscharf, dass ein Brot 1 Euro kosten wird. Nehmen wir jetzt an, es kommt ein Helikopter und wirft über den Menschen noch einmal 1000 Euro ab, sie haben also jetzt in der Summe 2000 Euro. Befinden sich unverändert 1000 Brote auf dem Markt, geht der Quantitätstheoretiker davon aus, dass der Brotpreis sich verdoppelt.
Das Modell funktioniert allerdings nur deshalb so gut, weil man in ihm mit dem Geld nichts anderes machen kann, als Brote zu kaufen. Gäbe es neben dem Brot- etwa auch einen Finanzmarkt, könnten die Leute die vom Helikopter abgeworfenen Euros auch dazu benutzen, Aktien des brotproduzierenden Unternehmens am Markt zu erwerben. Das ist besonders wahrscheinlich, wenn die zusätzlichen Euros des Helikopters von einem einzigen Menschen abgefangen werden. Nach der Logik der Quantitätstheorie müsste der dann nämlich allein 500 Brote kaufen. Aber was soll er mit so viel Brot? Wenn durch den Aktienkauf die Kurse des brotproduzierenden Unternehmens steigen, könnte das sogar noch mehr Menschen verführen, statt Brote Aktien zu kaufen. Dann steigen die Brotaktien weiter, aber der Brotpreis muss jetzt trotz verdoppelter Geldmenge sogar fallen, wenn alle 1000 Brote noch einen Käufer finden sollen.
Im Kern ist das genau die Entwicklung der zurückliegenden Jahrzehnte:
Die Banken fluten als Geld-Helikopter den Markt, aber da dieses Geld überwiegend Leute erreicht, die ohnehin schon sehr viel davon haben, berührt es die Gütermärkte kaum. Stattdessen kauft dieses Geld Aktien, Anleihen oder verbriefte Kreditpapiere und treibt hier tatsächlichdie Preise nach oben. Aber steigende Preise auf den Finanzmärkten heißen nicht Inflation, sondern »Wertsteigerung« und gelten als Ausdruck einer erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung.
In Wahrheit beruhen die Billionen an Geldvermögen, die sich im Ergebnis dieses Prozesses heute auf den Finanzmärkten türmen, auf nichts als solchen Schneeballsystemen, die in dem Augenblick in sich zusammenbrechen müssen, wo der Geld-Helikopter nicht mehr für Nachschub sorgt, also der Kreditmotor stottert.
Der Schneeball wird zur Lawine
Beispielsweise beruhte die Zahlungsfähigkeit der amerikanischen Subprime-Kreditnehmer von Beginn an darauf, dass sie immer neue, höhere Kredite erhalten konnten, um damit Zins und Tilgung der alten Kredite zu bezahlen. Solange das funktionierte, wurde kein Einziger dieser abstrusen Kredite faul. Es gibt auch kaum einen Staat, der zahlungsfähig bliebe, wenn ihm die Refinanzierung alter Kredite sowie die Zahlung zumindest eines Teils der Zinsen durch neue Kredite versagt bliebe. Das Gleiche gilt für nahezu alle Finanzinstitute und die meisten großen Unternehmen. Der heutige globale Finanzmarkt ist ein großes Schneeballsystem. Irgendwann allerdings kommt jedes Schneeballsystem an einen Punkt, an dem es zusammenbricht.
Dass der nicht längst erreicht wurde, liegt einfach daran, dass die Kreditschöpfung unter heutigen Bedingungen eben keine objektive Grenze mehr hat. Das Geld, das aus dem virtuellen Off der Festplatten hervorquillt, braucht keine reale Wirtschaftsaktivität, um zu wachsen. Ihm liegen kein realer Kauf und Verkauf irgendeines nützlichen Gutes zugrunde, sondern der Mouseclick eines Bankangestellten. Deshalb kann es auch sehr viel schneller wachsen als die Umsätze von Maschinenbauern oder Textilproduzenten.
Das Volumen der globalen Finanztransaktionen ist heute 73,5-mal höher als das der Wirtschaftsleistung der Welt. 1990
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