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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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verbesserter Produkte, sondern darauf, Sparpotentiale aufzudecken.
    Der erste und wichtigste »Kostenfaktor«, der bei dieser Strategie unter die Räder kommt, sind natürlich die Mitarbeiter. Mit tausend Tricks und Kniffen wird die Lohnsumme im Unternehmen auf ein Minimum reduziert. Entlassungswellen verringern die Zahl der Beschäftigten, bis die verbliebenen die anstehenden Aufgaben kaum mehr bewältigen können und der massive Leistungsdruck sie in wachsender Zahl krank und kaputt macht. Zeitgleich werden reguläre Mitarbeiter durch Leiharbeiter, Scheinselbständige, Praktikanten und Teilzeitjobber ersetzt. Immer mehr ehemals selbst erbrachte Leistungen werden an externe Anbieter ausgelagert. Auch die dadurch erzielte Kostenersparnis geht in erster Linie auf Lohndumping zurück.
    Katharina Weinberger, selbst lange Jahre auf mittlerer Managementebene in großen internationalen Konzernen tätig, beschreibt in ihrem Buch
Kopfzahl-Paranoia
plastisch und eindringlich die Folgen einer solchen Strategie. Nicht nur für die Beschäftigten, auch für die Produktqualität, die Innovationsfähigkeit und die Kundenorientierung der Unternehmen. Denn Ergebnis des hartnäckigen Wegsparens anständig bezahlter Fachkräfte sind immer größere »weiße Zonen« in den Konzernen, »die sich vor allem durch den Mangel an Fachwissen und Erfahrung auszeichnen. … Die Belegschaft setzt sich zunehmendaus zeitweiligen Agenturmitarbeitern, externen temporären Arbeitskräften, ›PermaTemps‹, also permanent temporären Mitarbeitern, geleasten Mitarbeitern, neuen Selbständigen, freien Dienstleistern und Vertragspartnern, Dauerpraktikanten und ausgelagerten Mitarbeitern zusammen.« 55 Und die verbliebenen festangestellten Mitarbeiter arbeiten unter dem Damoklesschwert, womöglich die Nächsten zu sein, die es trifft.
    Das rächt sich. Eingespielte Arbeitsabläufe werden dadurch ebenso zerstört wie die Motivation von Beschäftigten, die ohne Zukunft und Sicherheit, oft zu schlechten Löhnen und unter immensem Druck ihre Arbeit verrichten müssen. Viele Beschäftigungsverhältnisse in großen börsennotierten Unternehmen dauern heute weniger als ein Jahr. Das ist eine Zumutung für die Betroffenen, aber auch für die wirtschaftliche Substanz, denn wer ständig woanders eingesetzt wird, wird kaum wirkliche Professionalität entwickeln.
    Sachverstand und Professionalität werden allerdings nicht nur durch die hohe Fluktuation ausgedünnt. In die gleiche Richtung wirkt die zunehmende Besetzung von Leitungsfunktionen mit fachfremden Finanzleuten. Gerade in den großen Konzernen konnte »der Typus des geldgetriebenen und ausschließlich in Geldkategorien denkenden Managers in oberste Führungsfunktionen kommen«, kritisiert der konservative Managementtheoretiker Fredmund Malik. 56 Solche Personalentscheidungen tragen dazu bei, die Unternehmensführung auf jene Finanzkennziffern auszurichten, die die Herzen der Börsianer höherschlagen lassen, die als Maßstab für den produktiven Unternehmenserfolg allerdings vollkommen untauglich sind.
    Weggesparte Kunden- und Gemeinwohlinteressen
    Gespart wird freilich nicht nur an Fachwissen und Sachverstand. Kleingespart werden auch ganze Abteilungen, die für eine reibungslose Abwicklung von Produktion und Vertrieb unerlässlich sind. »Ein populäres Ziel der eilfertigen Konzernzertrümmerer«, schreibt Katharina Weinberger, »ist die Logistik, die mit Lagerhaltung und Transport einen wesentlichen Kostenfaktor, aber auch einen wichtigen Faktor für die zeitgerechte Belieferung der Kunden darstellt.« 57 Wen stört’s, dassder Empfänger länger auf die Lieferung warten muss oder beim Service endlos in der Warteschleife hängt. Hauptsache, die Rendite stimmt. Auch die Produktqualität selbst ist ein begehrtes Ziel der Kostenjäger. »Qualität so gut wie nötig«, sei das interne Motto des Vorstandsvorsitzenden eines großen Fertigungsunternehmens gewesen, berichtet Weinberger. 58 Zu hohe Qualitätsstandards seien schlicht zu teuer.
    Schlicht zu teuer ist es natürlich auch, Steuern zu zahlen. Oder all die renditestörenden Umwelt- oder Verbraucherschutzregeln einzuhalten, die die Staaten sich so einfallen lassen. Um die aus solchen Regeln und der Steuergesetzgebung folgenden Kosten radikal zu killen, leisten sich alle großen Konzerne eigens mit diesem Zweck befasste und bestens ausgestattete Abteilungen. Hier findet sich all das, was in Produktion und Entwicklung immer mehr ausgedünnt wird:

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