Freiheit statt Kapitalismus
Verzicht auf Investitionen ist.« 61
Marktmacht statt Leistung
Wie macht ein Konzern, der kaum noch in die Verbesserung seiner Produkte investiert, trotzdem weiterhin Profit? Er spielt Unternehmensmonopoly. »Mit Kassen, die dank Personalabbau und Innovationsunwillen voll waren, begaben sich die Konzerne auf Einkaufstour, um Marktanteile und Innovation, die auf den eigenen Friedhöfen der Kreativität nicht mehr gedeiht, zuzukaufen oder einfach die lästige Konkurrenz auszuschalten.« 62 Statt also Neuheiten in einem mühsamen und risikoreichen Prozess selbst zu erfinden, greift man zu, sobald eine vielversprechende Idee am Markt erscheint. Aber nicht nur Innovation wird aufgekauft, sondern auch und vor allem andere Unternehmen mit ähnlichem Produktprofil wie das eigene. Der bei solchen Übernahmen und Fusionen gefeierte »Synergieeffekt« beruht in aller Regel darauf, dass nach der Übernahme Betriebsteile geschlossen und Beschäftigte entlassen werden und so am Ende mit weniger Kapazitäten ein größerer Markt bedient werden kann. Die mit dem Marktanteil gestiegene Marktmacht trägt das ihre dazu bei, dass ein solches Vorgehen sich auszahlt.
Eine der bekanntesten empirischen Untersuchungen über Faktoren, die die Gewinnentwicklung von Unternehmen beeinflussen, ist die sogenannte PIMS-Studie. PIMS steht für: Profit Impact of Market Strategies. Daten für diese Studie werden seit den siebziger Jahren erhoben, in ihrem Rahmen wurden die Geschäftsmodelle mehrerer hundert Unternehmen durchleuchtet. Im Ergebnis identifiziert die PIMS-Studie etwa acht Schlüsselgrößen, deren »Profit Impact« besonders hoch ist. An erster Stelle dieser Faktoren, die zu hoher Profitabilität führen, steht der Marktanteil des Unternehmens in Relation zum Marktanteil seiner wichtigsten Konkurrenten. Je größer ein Anbieter und je kleiner seine Wettbewerber, desto profitabler ist das Geschäft.
Für die Rendite ist der relative Marktanteil nach den Ergebnissen der PIMS-Studie deutlich wichtiger als beispielsweise die Kundenzufriedenheit. Ist der Marktanteil klein, kann das nur durch überlegene Qualität ausgeglichen werden. Geschäfte mit hohen Marktanteilen dagegen erzielen sogar bei bescheidener Qualität immer noch ansehnliche Renditen.
Wer einen Markt dominiert, kann eben seine Lieferanten wie auch seine Kunden auspressen. Also investiert man lieber in Marktanteile als in teure Qualität oder kreative Ideen.
In den USA begann die Umstellung auf dieses Geschäftsmodell bereits in den achtziger Jahren. Zwischen 1984 und 1989 haben amerikanische Produktionsunternehmen im Schnitt 184 Milliarden Dollar jährlich für die Übernahme anderer Firmen ausgegeben, aber weniger als die Hälfte dessen, nämlich 84 Milliarden Dollar, für Investitionen in ihr Anlagevermögen. Nur 21 Prozent der Neuverschuldung der Unternehmen wurden für investive Zwecke verwandt. Eine weitere Fusionswelle folgte in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, flaute nach der Jahrtausendwende leicht ab und erlebte ab 2005 noch einmal einen beispiellosen Aufschwung.
In Europa waren nationale und multinationale Großfusionen vor allem das – politisch erwünschte und ausdrücklich geförderte – Resultat des mit dem Maastricht-Vertrag geschaffenen EU-Binnenmarkts. So wurden allein zwischen 2003 und 2007 in der EU für grenzüberschreitendeÜbernahmen mehr als 2,3 Billionen Dollar ausgegeben. Weltweit wechselten seit der Jahrtausendwende Unternehmen im Wert von über 10 Billionen Dollar den Besitzer. Sie wurden geschluckt, integriert, umstrukturiert, filetiert. An 80 Prozent dieser Deals waren Konzerne aus den USA oder Europa beteiligt.
Natürlich konnte kein Unternehmen die gewaltigen Summen, die es für seine globalen Einkaufszüge brauchte, aus dem laufenden Cashflow bezahlen. Die bereits zitierte Studie des IMK zeigt, »dass die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren ihre Kreditnachfrage zur Finanzierung von Fusionen, Übernahmen und Unternehmensumstrukturierungen stärker ausgedehnt haben als ihre Kreditnachfrage zur Finanzierung von realen Anlage- und Vorratsinvestitionen.« 63
Wer schwächelt, wird gefressen
Auf Shoppingtour gehen die Global Player auch immer dann, wenn eine Finanzkrise irgendwo auf der Welt die Wirtschaft schüttelt und die Währung eines Landes kollabieren lässt. Denn dann sind die wirtschaftlichen Kapazitäten der betreffenden Region besonders billig zu haben. Auf diese Weise haben sich große
Weitere Kostenlose Bücher