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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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hatte diese Relation noch bei 15,3 gelegen. Wohin der aktuelle Trend führen kann, umreißt der Ulmer Betriebswirt Dirk Solte mit folgender Berechnung:
     
    Wenn die Weltwirtschaftsleistung und der Weltfinanzmarkt so weiterwachsen wie in den vergangenen 15 Jahren, sich also immer weiter auseinanderbewegen, haben wir es in 50 Jahren mit einem globalen Geldvermögen und zugleich einem Schuldenberg zu tun, der 20-mal so groß wäre wie die Summe aller Güter und Leistungen, die weltweit produziert werden. Das bedeutet: Bei einer Durchschnittsverzinsung von 5 Prozent würde in 50 Jahren das gesamte Weltbruttoinlandsprodukt für Zinszahlungen gebraucht. Die Welt insgesamt wäre überschuldet. 53
     
    Natürlich spricht viel dafür, dass die Geldmaschine der Banker bei steigender Verschuldung schon vorher immer wieder ins Stocken gerät. Werden dann allerdings erneut die gesamten Reparaturkosten auf Otto Normalverbraucher abgewälzt und alles geht fröhlich weiter, beschreibt Solltes Bild einen realen Trend. Einen, der nur in einer Katastrophe enden kann.
    Schon heute hat die Geldflut massive Rückwirkungen auf die sogenannte reale Wirtschaft, also jenen Teil der Ökonomie, der sich mit der Herstellung von Dingen befasst, die das Leben angenehmer und leichter machen sollen. Weil ungleich mehr virtuelle Dollars und Euros über die Devisenmärkte floaten, als zur Abwicklung des Welthandels gebraucht werden, sind es auch nicht mehr die Leistungsbilanzen der Länder, die die Kursentwicklung der Währungen bestimmen, sondern die Entscheidungen der Devisentrader in den Handelsräumen der großen Finanzinstitute. Nur dank ihrer omnipotenten Geldmaschine kann die Finanzindustrie auch die Mittel bereitstellen, die Übernahmeschlachten um milliardenschwere Weltkonzerne erst möglich machen. Noch Anfang der achtziger Jahre wäre ein solches Unternehmensmonopoly undenkbar gewesen: einfach, weil niemand über die nötigen Summen verfügte, um etwa Mannesmann oder Chrysler zu schlucken.
    Wer hunderte Milliarden per Knopfdruck bewegt, ist natürlich auch in der Lage, die Mais- oder Reispreise an den Weltbörsen zu manipulieren. Das von institutionellen Anlegern in die Bereiche Index Trading und Termingeschäfte mit elementaren Grundnahrungsmitteln wie Soja, Reis und Mais eingebrachte Kapital ist von 13 Milliarden Dollar 2003 auf 260 Milliarden Dollar 2008 angestiegen. Der Frankfurter Börsenhändler Dirk Müller, der als »Mister Dax« bekannt wurde,beschreibt die Funktionsweise dieser Lebensmittelspekulation mit folgendem Bild: Man stelle sich vor, es gäbe in einer bestimmten Gegend nur einen einzigen Nahrungsmittelstand, der Reis verkauft, und vor dem Stand wartet eine Schlange hungriger Menschen. Plötzlich kommt ein reicher Mann daher, der den ganzen Stand mit allem Reis auf einmal kauft und daraufhin die Preise um 50 Prozent erhöht. Er macht damit entsprechend Profit auf sein Investment, denn die Leute müssen die Nahrungsmittel ja trotzdem kaufen.
    Finanzspekulation hat es immer gegeben. Aber nie gab es so wenige Spieler, die allein derart riesige Beträge bewegen und damit den Markt in die eine oder andere Richtung drücken konnten. Oder, um im Bild zu bleiben: Es gab früher niemanden, der den ganzen Stand hätte kaufen und bezahlen können. Bald kaufen sie die ganze Welt.
    Fazit
    Die Deregulierung der Finanzmärkte, die Entwicklung des globalen Interbankenmarktes und die Erfindung diverser »Finanzinnovationen« haben dazu geführt, dass die großen Finanzhäuser mit immer weniger belastbarem Eigenkapital immer mehr Geld bewegen und eine tendenziell unendliche Menge an Kreditgeld schaffen können.
    Diese Geldmaschine der Banken ist die wichtigste Ursache für das beispiellose Wachstum des Finanzsektors in den zurückliegenden Jahrzehnten. Auf ihr beruht seine Fähigkeit, die explosive Ausweitung der privaten und öffentlichen Verschuldung problemlos zu finanzieren.
    Die nahezu unbegrenzte Schöpfung von Kreditgeld hatte keine inflationären Wirkungen, weil das so geschaffene Geld sich überwiegend in der Verfügung von Leuten konzentrierte, die es nicht für Güterkäufe nutzten, sondern im Finanzkreislauf zirkulieren ließen. Dort trug es zu fiktiver Wertschöpfung und virtuellen Einkommen in erheblicher Größenordnung bei. Relevante Teile des Bruttoinlandsprodukts und Wirtschaftswachstums in Ländern mit großem Finanzsektor beruhen heute auf reinen Luftbuchungen. Als ihr Ergebnis sind gigantische Geldvermögen entstanden,

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