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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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ganzer Managergenerationen. Bei Siemens beträgt die Mindestrendite, die ein Investitionsprojekt oder ein Geschäftsteil erzielen muss, 19 Prozent. Nokia hat in Bochum gutes Geld verdient und das Werk dennoch geschlossen, weil die in Aussicht stehende Rendite in Rumänien höher war.
    Zockerprofite
    Die Billionen, die im Finanzsektor umgesetzt und verdient werden, üben auch auf Großunternehmen der sogenannten Realwirtschaft einen wachsenden Reiz aus. Weshalb investieren, wenn man zocken kann. Und zwar zocken nicht nur im Handel mit Unternehmen oder Unternehmensteilen, sondern auch schlicht in Finanzpapieren, wo immerhin die Geldmaschine der Banken für die schönsten und flottesten Renditen sorgt. Aus dieser Erkenntnis heraus haben amerikanische Großunternehmen bereits in den achtziger Jahren begonnen, sich in immer größerem Umfang Finanzportfolios zusammenzukaufen, derenZinsen, Dividenden und Kursgewinne seither zum Unternehmensgewinn beitragen. Viele Unternehmen legten sich auch reine Finanztöchter zu. Nicht nur solche, die als Autobanken oder Leasinggesellschaften ihr Kerngeschäft unterstützen, sondern auch spekulationsfreudige Finanzvehikel, die mit dem eigentlichen Geschäftsfeld des Konzerns nicht das Geringste zu tun haben.
     
    Hatte die Relation von Sachkapital zu Finanzvermögen amerikanischer Produktionsunternehmen in den fünfziger Jahren noch bei vier zu eins gelegen, war im Jahr 2000 ein Gleichstand zwischen beiden erreicht.
     
    Auch in Europa haben viele Konzerne wachsende Teile ihres Profits statt mit der Erzeugung realer Güter mit Luftbuchungen in der Schaumwelt der Finanzpapiere gemacht. Immerhin ist man in diesen Sphären endlich nicht mehr von der Kaufkraft realer Kunden abhängig. Denn bei aller Marktmacht und Freiheit zur Preisgestaltung: Am Ende ist auf realen Märkten immer ein Käufer nötig, der das Produkt sowohl braucht als auch das Geld hat, um es zu bezahlen. Je mehr sich das Geld bei denen konzentriert, die längst haben, was sie brauchen, desto schwieriger wird das. Ein Ausweg war, dem Käufer Kredit zu geben. Aber warum den Umweg über Kunden machen, wenn man auf den Finanzmärkten prächtige Renditen auch ohne diesen Störfaktor verdienen kann. Und dafür weder teure Maschinen noch Facharbeiter braucht, sondern nur eine Handvoll Finanzjongleure.
    Ein spektakuläres deutsches Beispiel für Finanzakrobatik waren die Geschäfte der Porsche AG im Vorfeld der angestrebten Übernahme von Volkswagen. So verdiente Porsche im Geschäftsjahr 2006/2007 mit Finanzoperationen beinahe viermal so viel Geld wie mit dem Verkauf seiner schmissigen Sportwagen. Im Geschäftsjahr 2008/2009 dagegen wandelten sich die schönen Spekulationsgewinne in einen Verlust von 4,4 Milliarden Euro. Damit waren auch alle Übernahmeträume geplatzt und Porsche endet als zehnte Marke im VW-Konzern.
    Statistisch spiegelt sich die zunehmende Betätigung der Konzerne auf dem Finanzparkett im Anstieg des Verhältnisses von empfangenen zu geleisteten Zinsen im Unternehmenssektor wider. In Europa wie in den USA stehen immer höhere Zinsen auf beiden Seiten der Bilanz.Die Unternehmen machen mehr Schulden, aber sie nehmen auch mehr Zinsen auf ihre wachsenden Finanzanlagen ein. Dass große Konzerne dazu übergehen, selbst Finanzhai zu spielen, wird in der Literatur mit dem Begriff der
Finanzialisierung
beschrieben.
     
    Finanzialisierung heißt also, dass auch die Realwirtschaft mittels der Geldmaschine der Banken ihre Bilanzen aufpoliert und der Öffentlichkeit Schaum für Wert verkauft.
    Ausschüttungen aus der Substanz
    Die Konzerne tun allerdings nicht nur alles, um ihre Rendite zu erhöhen: auf Investitionen und Professionalität verzichten, Marktmacht einkaufen und Hedge-Fonds spielen. Sie legen auch größten Wert darauf, dass ihre Anleger die so erwirtschafteten Renditen genießen können. Um die Aktionäre reich zu machen, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: die Zahlung hoher Dividenden oder der Rückkauf eigener Aktien durch das Unternehmen. Beide werden ausgiebig genutzt.
    Nicht selten wird sogar mehr verteilt, als verdient wurde, besonders in Jahren, in denen der Gewinn etwas spärlicher ausfällt. Ein Beispiel für diesen Irrsinn ist, dass die im deutschen Aktienindex DAX gelisteten Konzerne 2009 22 Milliarden Euro und im Frühjahr 2010 noch einmal 20 Milliarden an Dividenden ausgeschüttet und so in den tiefsten Krisenmonaten ihre Reserven empfindlich geschmälert haben. Selbst im Frühjahr 2008, am

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