Freiheit statt Kapitalismus
Finanzvehikel einen Vorteil haben, sondern auch, weil ihnen das Geld, mit dem die Fonds spielen, schlicht nicht gehört. Vielmehr befinden sich die von den Hedge- und Investmentfonds verwalteten Billionen zum großen Teil in den Händen derselben alteingesessenen Familiendynastien, denen auch die familieneigenen Konzerne gehören oder deren Vorväter ihr Geld als Unternehmenseigentümer gemacht haben. Das gilt nicht nur für Deutschland. Das ist weltweit so.
Das Machtgefälle zwischen den verschiedenen Typen von Sparern spiegelt sich auch in der Struktur der Fonds wider: Besonders wohlhabende Anleger investieren nicht in sogenannte Publikumsfonds, sondern in exklusive Spezialfonds, die eine hohe Mindestanlagesumme als Eintrittsbillett vorsehen. Dabei überschreitet das Anlagevolumen der Spezialfonds das der Publikumsfonds bei weitem, wie der Ökonom und Finanzmarktanalytiker Jörg Huffschmid gezeigt hat. 94 Es gibt eigentlich nur eine Ausnahme: die Pensionsfonds. Hier dominieren tatsächlich die Spargelder normal verdienender Angehöriger der Mittelschicht. Aber diese Spargelder wurden nicht aus freiwilliger Entscheidung den Fonds zugeschoben, sondern aus nacktem Zwang, eben wegen nichtvorhandener beziehungsweise zerstörter gesetzlicher Rentensysteme. Darauf, wer von diesem System profitiert, werden wir noch zu sprechen kommen. Es sind jedenfalls nicht die, die ihre angesparten Ruhestandsgelder ins Feuer der Finanzmärkte werfen.
In der Verfügung oder Nichtverfügung über Kapital liegt also, wie Schumpeter und vor ihm Marx hervorgehoben haben, der Kern der sozialen Spaltung in der heutigen Gesellschaft. Diese Spaltung wird von Generation zu Generation weitergegeben und ist durch Fleiß oder eifrige Spartätigkeit nicht zu überwinden. Ebenso wenig wie durch Investivlöhne oder Volksaktien, die sowieso vor allem dazu da sind, den Beschäftigten die Renditelogik nahezubringen und die tatsächliche Verteilung von Eigentum und Vermögen zu vernebeln.
Fazit
Wir leben nicht in einer Leistungsgesellschaft. Lebensperspektiven und individuelle Aufstiegschancen werden heute entscheidend von der Herkunft vorherbestimmt. Wirklicher Reichtum ist nicht über Arbeitseinkommen zu erwerben, sondern nur über Profit- und Vermögenseinkommen. Der Zugriff auf diese Einkommen konzentriert sich in den Händen von kaum mehr als einem Prozent der Bevölkerung, das über die wichtigsten Wirtschaftsgüter, über Ländereien und große Geldvermögen verfügt und dieses Eigentum großenteils von seinen Vorvätern ererbt hat. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen beruht es auf eigener Leistung.
Die soziale Klasse der Unternehmenseigentümer und Vermögenden ist somit eine weitgehend geschlossene Gesellschaft, deren Eintrittsbillett durch Geburt erworben wird. Die Kontinuität der Eigentümerdynastien ist so ausgeprägt, dass die großen deutschen Industrieunternehmen, Handelsfirmen und Banken sich zum erheblichen Teil noch heute im Eigentum von Familien befinden, die bereits im Kaiserreich zur Geld- und Machtaristokratie gehörten.
5. Zerstörte Kreativität statt »kreative Zerstörung«
»Der Kapitalismus wird durch seine eigenen
Errungenschaften umgebracht.«
Joseph A. Schumpeter, österreichischer Ökonom (1942)
Es war der österreichische Ökonom Joseph Alois Schumpeter, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Theorie der »kreativen Zerstörung« entwickelte. Anders als die Mainstream-Ökonomie noch heute interessierte sich Schumpeter nicht für blutleere imaginäre Marktgleichgewichte, sondern gerade für den Prozess von Ungleichgewicht, Innovation, Fortschritt und Krise. Ein echter Wettbewerbsmarkt, so Schumpeters Theorie, befindet sich niemals im Gleichgewicht. Im Gegenteil, er zwingt die konkurrierenden Unternehmen zu ständigen Neuerungen und Veränderungen, zur Entwicklung neuer Produkte, zur Umstellung auf neue, produktivere Technologien, also auch immer wieder zur Vernichtung alter Anlagen und zur Entwertung ihres bereits investierten Kapitals. Jedes Unternehmen muss sich diesem Wettkampf stellen, denn wer nicht mithält, geht unter.
Der Begriff »kreative Zerstörung« beschreibt diesen Prozess: Das Neue setzt sich immer auch um den Preis der Zerstörung durch, der Zerstörung bereits vorhandener Kapazitäten, des Untergangs ganzer Unternehmen, ja von Massenpleiten im Zuge einer größeren Wirtschaftskrise. Aber die Zerstörung ist »kreativ«, weil sie die Beteiligtenzur Innovation zwingt, weil sie Erfindungsgeist und
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