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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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seinem Arbeitslohn spart: »Die Masse der Akkumulation stammt aus Profiten und setzt darum Profite voraus, – dies ist in Wirklichkeit der
vernünftige
Grund für die Unterscheidung von Sparen und Akkumulieren.« 89 Die hohe Konzentration von Produktivvermögen ist also kein Zufall, sondern liegt im System. Einen Volkskapitalismus gibt es nicht und kann es nicht geben.
    Geld stinkt nicht? Vermögen aus dunklen Zeiten
    Gerade weil normale Einkommen nicht ausreichen, um sich aus ihnen ein relevantes Vermögen zusammenzusparen, geht ein überwiegenderTeil der vorhandenen Vermögen auf Erbschaften zurück. Die US-Ökonomen Kotlikoff und Summers kommen nach einer gründlichen Analyse der amerikanischen Daten über Ersparnisse und Vermögensverteilung zu dem Schluss, dass mindestens 80 Prozent aller amerikanischen Vermögenswerte aus Erbschaften resultieren. 90 Dabei ist die Vermögensbildung aus Einkünften aus ererbtem Vermögen eingerechnet, was ja auch sinnvoll ist. Immerhin sind solche Vermögen ebenso wenig auf die eigene Lebensleistung der Erben zurückzuführen wie der Grundstock, den die Elterngeneration an sie weitergegeben hat. Andere Studien zu anderen Zeitperioden und Ländern kommen zu ähnlichen Schlüssen. 91
    Bernt Engelmann weist in seinem immer wieder lesenswerten Klassiker
Das Reich zerfiel, die Reichen blieben
mittels einer akribischen Untersuchung nach, dass sich im Deutschland der siebziger Jahre etwa zwei Drittel aller großen Industrieunternehmen, Handelsfirmen und Banken im Eigentum einer Gruppe von etwa 500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien befanden, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten und schon damals über ähnliche wirtschaftliche Machtbastionen verfügten wie sechzig Jahre später.
    Die Beantwortung der Frage, wem die Bundesrepublik eigentlich gehört, führt uns, schreibt Engelmann, zu den »heute noch steinreichen und mächtigen Erben der Geld- und Machtelite des Kaiserreichs, deren Vermögen zumeist schon in früheren Jahrhunderten gebildet wurde – durch Bauernlegen, Menschenschinderei, Wucher und Geldfälschung, mittels Bestechung erschlichene Monopole, Soldatenverkauf, Straßenraub und Erpressung oder mit den verfeinerten Methoden frühkapitalistischer Ausbeutung …« 92 Nicht zu reden von den gigantischen Zugewinnen, die im 20. Jahrhundert noch hinzukamen: aus der Kriegsproduktion für zwei Weltkriege, aus der Naziherrschaft, der Arisierung jüdischen Vermögens und dem Todschinden zehntausender Zwangsarbeiter. Trotz verlorener Kriege, Inflation und zwei Währungsreformen blieb den von Engelmann beschriebenen Familiendynastien nahezu alles: »Großgrundbesitz und Warenlager, Kohlenfelder, Flöze und Halden, Maschinen und Patente, Kunstschätze und Auslandsguthaben,vor allem aber Ansprüche sowie die Macht und der Reichtum, diese auch durchzusetzen«. 93
    Vielleicht ist die dunkle Herkunft eines Großteils des Reichtums der wirklich Reichen einer der Gründe dafür, weshalb dieser Reichtum gern unsichtbar bleibt und es so schwer ist, zuverlässige Statistiken darüber zu finden, wie es am oberen Ende der Vermögenshierarchie tatsächlich aussieht.
    Kein »Kapitalismus der kleinen Leute«
    Was Bernt Engelmann für die Bundesrepublik der siebziger Jahre nachgewiesen hat, hat sich bis heute nicht verändert. Die Eigentumsverhältnisse sind nur etwas versteckter, umwegiger und vermittelter geworden. Teils wurden Gesellschafteranteile durch Aktien oder Aktien durch Fondsanteile ersetzt. Teils wurden aus den Einkünften aus Familienkonzernen zusätzlich große Geldvermögen aufgebaut, die weltweit angelegt werden. Eine knappe Mehrheit der Aktien der DAX-Konzerne befindet sich heute in der Hand ausländischer Anleger, zum erheblichen Teil institutioneller. Aber das heißt nicht, dass in diesen ausländischen Fonds nicht auch Milliarden aus den weiten Taschen der deutschen Oberschicht stecken können.
    Das Entscheidende hat sich nicht verändert: Wenigen reichen Dynastien gehört ein großer Teil der Wirtschaft. Inzwischen nicht mehr nur der nationalen, sondern der Weltwirtschaft. Angesichts dessen ist es kompletter Unfug oder bewusste Irreführung, wenn das Unwesen, das die institutionellen Investoren heute als Unternehmenseigentümer treiben, als eine Art Kapitalismus »der kleinen Leute« bezeichnet wird, wie das gern geschieht. Nicht nur, weil die »kleinen Leute« als Beschäftigte die Letzten sind, die von dem Regime der renditehungrigen

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