Freiheit statt Kapitalismus
Verwandlung von Teilen des Lohns in Mitarbeiteraktien. All diese Konzepte haben miteinander gemein, dass sie die Bildung von Vermögen – und zwar möglichst Produktivvermögen – in den Händen der abhängig Beschäftigten stärken sollen. Sie alle sollten dazu beitragen, dass die Konzentration der Vermögen in wenigen Händen überwunden und das Profitstück am Kuchen breiter verteilt wird. Und sie alle sind, gemessen an diesem Ziel, grandios gescheitert.
Es gibt einen einfachen Grund, warum der ganze Rummel um die »Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand« an der extremen Konzentrationvon Vermögen, zumal von Produktivvermögen, nicht das Geringste geändert hat und auch in Zukunft nichts ändern wird: Der Normalverdiener hat einfach nicht genug Einkommen, um so viele Ersparnisse zu bilden, dass die Zinsen oder Dividenden auf diese Ersparnisse ein relevantes Zubrot zu seinem Einkommen bilden. Weil das aber so ist, spart er auch nicht mit dem Ziel, die Ersparnisse stehen zu lassen und nur ihre Erträge aufzuessen, sondern er spart dafür, das Geld irgendwann für einen konkreten Zweck wieder auszugeben: eine größere Anschaffung, eine schöne Urlaubsreise, die Ausbildung der Kinder oder auch die eigene Sicherheit im Alter. In all diesen Fällen werden Ersparnisse also in der Absicht gebildet, sie früher oder später wieder zu verbrauchen.
Genau das ist auch mit einem Großteil der geförderten »Vermögensbildung« oder der mit großem Pomp beworbenen »Volksaktien« geschehen. So durften bei der Privatisierung des Volkswagenkonzerns in den sechziger Jahren zunächst nur Leute mit einem Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze Aktien kaufen. Das Gleiche galt bei der Privatisierung der VEBA 1965. Dem »Volkskapitalismus« wurde dadurch allerdings nicht zum Durchbruch verholfen. Im Gegenteil, ein erheblicher Teil der Neuaktionäre hatte sich bereits nach einem Jahr wieder von seiner »Volksaktie« verabschiedet. Bei der Telekom wiederholte sich 40 Jahre später das gleiche Spiel.
Im Gegensatz zum Zwecksparen des Durchschnittsverdieners beruht die Kapitalbildung einer Gesellschaft darauf, dass Ersparnisse angesammelt werden, die nicht zum späteren Verbrauch bestimmt sind. Sparen muss also Selbstzweck sein. Eine solche Ersparnisbildung kann natürlich auch gesellschaftlich organisiert werden. Erfolgt sie aber auf privater Ebene, können ihre Träger eigentlich nur Leute sein, die von ihren Ersparnissen leben wollen und können. Denn nur für sie ergibt Sparen als Selbstzweck einen Sinn. Tatsächlich geht der überwiegende Teil der volkswirtschaftlichen Vermögensbildung auf ein solches Selbstzweckmotiv und nicht auf Konsummotive zurück. 87 Verantwortlich dafür ist eine extrem kleine Schicht von Leuten, die über derart hohe Einkünfte verfügen, dass sie ein Vermögen aufbauen können, von dessen Erträgen man leben kann. Genauer gesagt: dass sieein vorhandenes Vermögen, von dem man bereits lebt, immer weiter ausbauen können.
Tatsächlich speist sich die Vermögensbildung zum übergroßen Teil aus den Einkünften aus bereits vorhandenem Vermögen. Immerhin 80 Prozent des neugebildeten Geldvermögens entstehen in der Bundesrepublik aus Zinsen und Dividenden. Das ist kein Zufall, sondern hat einfach damit zu tun, dass die wirklich großen Einkommen, die umfangreiche Ersparnisse erst ermöglichen, eben nicht aus Arbeit stammen, sondern aus wirtschaftlichem Eigentum. Allenfalls Topmanager und wenige andere Spitzenverdiener können da vielleicht noch mithalten.
Aber selbst die vielgescholtenen Manager gehören nicht zu den wirklich Reichen in der heutigen Gesellschaft. Ulrike Herrmann weist zu Recht darauf hin, dass die Managergehälter in der Regel nur 1,48 Prozent des Gewinns in einem Konzern ausmachen und die Hysterie über hohe Boni wohl auch von der Frage ablenken soll, wo die restlichen 98,52 Prozent bleiben. Sie schreibt über die endlose Boni-Debatte:
»Über die Gewinne der Kapitaleigner wird nicht diskutiert, die Erträge der Vermögenden sind tabu. Statt über den Cappuccino als solchen redet man nur über den Milchschaum oben drauf.« 88 In einem Eliteclub, in dem selbst der Deutsche-Bank-Chef Ackermann ein armer Hund ist, sollte niemand glauben, mit den Ersparnissen aus seinen Arbeitseinkommen mithalten zu können.
Bereits der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hatte übrigens darauf hingewiesen, dass man den Stand eines Kapitalisten nicht dadurch erreichen kann, dass man aus
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