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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Forschung anstachelt und weil sie so die Wirtschaft insgesamt produktiver und die Gesellschaft reicher macht.
    Mehr Wohlstand für viele
    Tatsächlich hat der Kapitalismus in mehreren Phasen seiner Entwicklung nach der von Schumpeter beschriebenen Logik funktioniert. Er hat die Produktionstechnologien von Grund auf revolutioniert, und das gleich mehrfach: von der Handmanufaktur zur Dampfmaschine, von der Dampfmaschine zur elektrischen Fließbandfertigung, vom Fließband zur softwaregesteuerten, weitgehend automatisierten Produktion im Zeitalter von Internet und Halbleitertechnologie. Er hat so die Lebensverhältnisse der Menschen in einer Weise verändert und den materiellen Wohlstand in einem Grade gesteigert wie keine Gesellschaft vor ihm. Walter Eucken hat recht, wenn er darauf hinweist, dass »die Umwelten Goethes und Platons … einander ähnlicher [waren] als die Umwelten Goethes und eines heute lebenden Menschen«. 95
    Stellt der Kapitalismus dadurch nicht seit zwei Jahrhunderten unter Beweis, dass er wie keine andere Wirtschaftsordnung in der Lage ist, den produzierten Reichtum zu erhöhen und die menschlichen Konsummöglichkeiten auszuweiten? Dass er dabei zwar größte soziale Ungerechtigkeiten in Kauf nimmt, am Ende aber doch alle reicher macht? Dass er die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zwar verschlissen und teilweise irreversibel zerstört hat, aber auch hier bald neue Lösungen finden wird? Denn sind nicht der Druck der Konkurrenz und der Stachel des Profitinteresses unerlässliche Vorbedingungen, um Menschen dazu zu bringen, immer neue Ideen zu entwickeln und sie auch umzusetzen? Sind die in den vorangegangenen Kapiteln geschilderten Verfallsprozesse vielleicht nur kurzfristige Fehlentwicklungen, verursacht durch falsche Regeln, korrigierbar durch bessere Gesetze, ohne die Grundlagen der heutigen Wirtschaftsordnung – privatkapitalistisches Eigentum und Profitstreben – anzutasten?
    Diese Fragen müssen verneint werden. Und im Folgenden wird gezeigt, warum die »kreative Zerstörung« sich im Laufe der Zeit mehr und mehr in eine Zerstörung von Kreativität und Produktivität verwandelthat und weshalb sich diese Entwicklung auch nicht einfach zurückdrehen lässt.
    Innovatoren auf offenen Märkten
    Schumpeter selbst hat sehr bewusst den Unternehmer vom bloßen Kapitalisten unterschieden. Kapitalist ist der Kuponabschneider, der das Unternehmen als reines Anlageobjekt betrachtet und nur daran interessiert ist, möglichst viel Rendite herauszuholen. Für den Prozess des technologischen Fortschritts und der »kreativen Zerstörung« ist er bedeutungslos. Unternehmer dagegen ist für Schumpeter derjenige, der auf Grundlage einer neuen Idee – sei es einer entdeckten Marktlücke, eines neu erfundenen Produkts oder einer pfiffigen neuen Produktionsmethode – ein Unternehmen gründet und aufbaut. Natürlich geht es dem Unternehmer dabei auch nicht um hehre Menschheitsinteressen, sondern nicht zuletzt um den erwarteten Gewinn. Aber er wird nur Gewinn machen, wenn seine Idee trägt, und dann wird er den größten Teil des erzielten Gewinns wieder investieren, weil sein Unternehmen wächst. Ein solcher Unternehmer treibt die »kreative Zerstörung« bei seinen Wettbewerbern voran, deren Produkte jetzt möglicherweise nicht mehr konkurrenzfähig sind. Er wird Nachahmer finden, die seine Idee kopieren und ebenfalls investieren.
    Viele Firmen sind irgendwann einmal von solchen Unternehmern mit einer neuen Idee und der Power, sie umzusetzen, gegründet worden. Manchmal war der Ideengeber auch ein anderer und der Unternehmensgründer war nur der Erste, der über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, um sie zu realisieren. Das spielt in diesem Zusammenhang aber keine Rolle. Wichtig ist: Neue Ideen gibt es zwar nicht nur in neuen Firmen, aber Unternehmer gibt es nur auf Märkten, die offen genug sind, um neuen Firmen mit neuen Ideen eine Chance zu geben.
    Nur dann gibt es keine Versuchung der alteingesessenen Anbieter zum Technologie-Konservatismus, sondern Technologien und Produkte sind einer ständigen »kreativen Zerstörung« ausgesetzt: Entweder bereits durch das Auftreten von Innovatoren oder spätestens in der nächsten Krise, die im 19. Jahrhundert zuverlässig alle zehn bis zwölf Jahre die Wirtschaft durchschüttelte und zu einer Bereinigung der Produktionskapazitätenführte. Was nach der Krise übrig blieb, war produktiver, moderner, leistungsfähiger als das durchschnittliche

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