Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
das gut ist?«, sagte der Alte.
»Sieh selbst!«, antwortete die Frau. »In einer Stunde ist er zurück in seinem Hotelzimmer, und dann können wir auf der Leinwand sehen, was geschieht.«
»Sagen Sie mir, dass es ein Alptraum war«, jammerte Notarius. Herbert Meier, der sich gerne »Herb« (sprich »Hörb«) nennen ließ, rief sich in Erinnerung, dass der Verlag ihm gutes Geld dafür bezahlte, diesen Spinner auf seiner Vortragstour zu begleiten. Schließlich verkauften sich seine bizarren Verschwörungsbücher wie warme Semmeln. Deshalb und nur deshalb war er auf den Anruf hin sofort in Notarius’ Zimmer geeilt.
»Sie haben mir gesagt, dass ich in allem Recht hatte, dass die Verborgenen Gralsritter wirklich die Herrscher der Welt sind. Aber das ist unmöglich.«
Herb nickte verständnisvoll und verkniff sich die Bemerkung, dass ihn das nicht überraschte.
»Das muss ein Traum gewesen sein. Aber es war so echt! Entweder war es ein Traum oder jemand hat mich reingelegt. Moment, ich bin da in was reingetreten.«
Zu Herbs Entsetzen angelte Notarius seinen rechten Schuh unter
dem Tisch hervor, drehte ihn um und hielt ihn Herb unter die Nase. Der wich etwas zurück. Bei diesen Typen wusste man nie.
»Was denken Sie, was das ist?«, fragte Notarius.
»Ich … ich weiß nicht.«
»Wie blöd sind Sie eigentlich! Wonach sieht das aus?«
»Also, als wären Sie in, mhm, einen Vogelklacks getreten.«
»Aha, das ist der Beweis! Sie wollen, dass ich glaube, ich hätte Recht! Aber den Gefallen werde ich ihnen nicht tun!«
»Aber … «
»Kapieren Sie nicht? Sagen Sie den Vortrag ab!«
»Ich soll … «
»Ja, alles, was ich geschrieben habe, ist falsch. SIE wollen nur, dass ich das verbreite. Aber ich tu’s nicht!«
Die Übertragung endete.
»Beeindruckend!«, sagte der Alte.
»Das geht immer so, Notarius ist da keine Ausnahme«, sagte der schlanke Mann mit der messerscharfen Nase und den ebenso gescheitelten Haaren. »Siehst du, er sucht die Wahrheit, aber er will sie nicht finden. Für Leute wie ihn ist die Wahrheit eine Matrjoschka-Puppe. Sie holen Puppe für Puppe heraus, aber wenn man ihnen erklärt, dass sie jetzt unwiderruflich bei der innersten angelangt sind, werden sie es nicht glauben. Wir haben ihm gesagt, dass er die ganze Wahrheit kennt, dass es keine Geheimnisse mehr gibt, dass er vollkommen und in allem Recht hatte. Das kann er niemals akzeptieren.«
»Du bist ein Genie«, sagte die Schwarzhaarige zu dem Mann mit der scharfgeschnittenen Nase, als die Übertragung aus dem Hotelzimmer endete.
»Ach was«, antwortete der, sichtlich geschmeichelt, »das war doch elementar, meine Liebe. Keiner dieser Leute will wissen, dass er Recht hat. Gib ihm Gewissheit, und er ist sicher, man will ihn reinlegen. Wenn man ihm seine Theorie wirklich bestätigt, sieht er sofort ein anderes Komplott dahinter.«
Die Frau warf ihm einen langen Blick zu und gesellte sich dann zu den anderen Frauen.
Die beiden Mönche setzten sich seltsam gleitend in Bewegung. Die Gesichter, vorher vollkommen im Dunkeln, wurden schattenhaft sichtbar. Schuppige grüne Haut schien auf. Das Licht brach sich in starren Echsenaugen.
Im Vorbeigehen zischten sie den Männern einen Gruß zu. Der Älteste der drei wartete, bis sie den Raum verlassen hatten.
»Ich kann mich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, dass der Schöpfer solche Wesen hervorgebracht hat«, sagte er dann.
»Wahrscheinlich zur größeren Ehre Gottes«, spottete der Kleine mit dem wohlwollenden Gesicht.
»Ach, lass das doch«, sagte der Lange. »Verspotte ihn nicht. Dein Weltbaumeister hat schließlich auch mehr Welten gebaut, als ihr gedacht habt.«
»Und wenn«, gab der Kleine zurück, »vielleicht hat er auch mehr als ein Volk auserwählt. Sie werden gleich die Verborgene-Gralsritter-Dekoration abräumen, da stören wir nur. Kommt!«
Die Frauen blieben alleine zurück.
»Wann werden wir drei uns wiedersehn?«
»Wenn bald der Schlachtennebel steigt, und Tod und Sieg sich endlich zeigt.«
»Bevor der Tag zur Nacht sich neigt.«
»Wo sehn wir uns?«
»Im Internet, im Mediensumpf, dort brodeln die Gerüchte dumpf!«
»Viel üble Worte ohne Sinn, wir machen mit und surfen hin!«
»Ein wunderbar Gefild’ zumeist!«
»Verwirren wir der Menschen Geist!«
»Klares wird trüb und Trübes klar, Wahrheit ist Schein, und Schein wird wahr.«
Alle ab.
Anhang
Die Bedeutung der Worte Schwören und Verschwören
Das Herkunftswörterbuch des Duden gibt an,
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