Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Napoleon 1798 aufgehobenen Kirchenstaat wieder herzustellen. Die Päpste agierten zu dieser Zeit, als habe die Französische Revolution nie stattgefunden, als gäbe es keine Aufklärung und als sei die Kirche noch Herrin der Wissenschaften.
Aber bald stellte sich heraus, dass eine echte Restauration, eine Rückkehr zu den Zuständen vor der Französischen Revolution, nicht mehr möglich war. In Italien hatte sich eine Nationalbewegung formiert, die das Land wieder vereinen wollte. Angesichts der übermächtigen Armee Österreichs, die den Status Quo sicherte, organisierten sich die Nationalisten in diversen Geheimgesellschaften, darunter auch solchen, die man heute als Terrororganisationen bezeichnen würde. Ihr Ziel war ein geeintes Italien mit Rom als Hauptstadt. Der Kirchenstaat sollte dafür ebenso verschwinden wie die übrigen kleinen Staaten auf italienischem Boden. Auch das unter österreichischer Herrschaft stehende Norditalien sollte selbstverständlich Bestandteil des neuen Nationalstaates werden.
Der zunehmend schrille Ton päpstlicher Schriften gegen die Freimaurer und andere geheime Gesellschaften richtete sich deshalb auch gegen die italienische Nationalbewegung, die den weltlichen Herrschaftsanspruch des Papstes bedrohte.
Ab 1861 war der Kirchenstaat auf die unmittelbare Umgebung Roms zurückgeworfen, umgeben von einem geeinten Italien. Alle italienischen Freiheitshelden der damaligen Zeit (Mazzini, Cavour, Garibaldi, die Könige Viktor Emanuel I. und II .) waren Freimaurer.
Im Dezember 1864 veröffentlichte Papst Pius IX . die berüchtigte Enzyklika
Quanta Cura
, die in ihrem Anhang achtzig Irrtümer
der Moderne aufzählte. Der Papst betrachtete unter anderem die folgenden Ideen als Irrtum:
»Es ist jedem Menschen freigestellt, jene Religion anzunehmen und zu bekennen, die er mit dem Lichte der Vernunft als die wahre erachtet.«
»Die Kirche muss vom Staat getrennt werden.«
»Die Abschaffung der weltlichen Macht des heiligen Stuhls würde zur Freiheit und zum Glücke der Kirche ungemein beitragen.«
»Der Papst in Rom kann und soll sich mit dem Fortschritt, mit dem Liberalismus und der modernen Kultur versöhnen und befreunden.«
Die Enzyklika rief heftige und kontroverse Reaktionen hervor. Modern gesinnte Katholiken packte das Entsetzen, Konservative jubelten. Liberale und Antiklerikale sahen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass die katholische Kirche nichts als ein Fossil aus einer untergegangenen Epoche war. In Italien gewannen die Antiklerikalen unter den Freimaurern weiteren Zulauf. Auch in Frankreich und Belgien stellten sich die Freimaurer zunehmend gegen die Kirche.
Im Jahre 1870 zogen italienische Truppen in Rom ein. Der Kirchenstaat hörte auf zu existieren und Rom wurde die Hauptstadt des italienischen Nationalstaates. Der Papst erklärte sich zum Gefangenen im Vatikan und weigerte sich, das geeinte Italien anzuerkennen. Auch sein Nachfolger Leo XIII . blieb bei dieser Strategie. Erst 1929 erkannte die katholische Kirche den italienischen Staat offiziell an.
Im Jahre 1885 bezeichnete Leo XIII . in der Enzyklika
Humanum Genus
die Freimaurer als Sekte und erklärte:
»Wie es Unsere Vorgänger mehrfach bestimmt haben, möge es niemand für erlaubt halten, aus welchem Grund auch immer, dem Freimaurerbund beizutreten, wenn er auf sein Seelenheil den Wert legt, den er ihm beimessen
muss.«
Die Enzyklika wütete auch gegen den Liberalismus und alle Erscheinungen der modernen Zeit. Der gehässige Ton und die pauschalen Anschuldigungen lassen erkennen, wie sehr sich der Vatikan in seiner antiliberalen Einstellung eingemauert hatte.
Die Abneigung zwischen Liberalen und katholischer Kirche war gegenseitig. In Italien schloss der Staat 1879 fast 5000 Klöster. Viele Nationalisten hatten dem Papst nicht verziehen, dass er die italienische Einigung jahrzehntelang zu hintertreiben versucht hatte. Als der Sarg des 1878 verstorbenen Papstes Pius IX . im Jahre 1881 aus seiner einstweiligen Ruhestätte auf dem Gebiet des Vatikanstaats nach San Lorenzo überführt werden sollte, griff eine Gruppe von Antiklerikalen den Trauerzug an. Die Polizei konnte jedoch verhindern, dass sie die Leiche des Papstes in den Tiber warfen, wie sie es ursprünglich vorgehabt hatten.
In Frankreich regierten von 1879 bis 1886 und noch einmal von 1899 bis 1907 dezidiert antiklerikale Parteien mit einer starken Beteiligung von Freimaurern. Frankreich verbot den Jesuitenorden und führte kostenlose staatliche
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