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Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
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Schulen ein.
     
    Im neu gegründeten Deutschen Reich tobte seit 1872 der Kulturkampf, den Bismarck gegen die katholische Kirche führte. Er hatte erst den Jesuitenorden, dann alle weiteren Orden verbieten lassen, soweit sie sich nicht ausschließlich der Krankenpflege widmeten. Mit dem Schulaufsichtsgesetz entzog Bismarck den Kirchen die geistliche Aufsicht über die Schulen. Kirchliche Eheschließungen wurden für ungültig erklärt, allein die standesamtliche Trauung hatte vor dem Gesetz Bestand. Der Kanzelparagraph verbot Geistlichen, zu staatlichen Themen »in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise« Stellung zu nehmen. Die Liberalen und Antiklerikalen stießen bei ihrer Politik der Zurückdrängung des katholischen Einflusses jedoch auf eine überraschend starke Volksfrömmigkeit. Die katholische Zentrumspartei im Deutschen Reich verdoppelte zwischen 1871 und 1890 die Anzahl ihrer Sitze im
Reichstag und wurde bei den Wahlen 1881 stärkste Fraktion. Bismarck sah sich gezwungen, die antiklerikalen Gesetze des Kulturkampfes in großen Teilen zurückzunehmen.
     
    Aber nicht nur die katholische Kirche, sondern auch reaktionäre Politiker und konservative protestantische Pfarrer und Prediger sahen die Ausbreitung der Freimaurerei von Anfang an mit Misstrauen. Die Aufhebung von Standesgrenzen innerhalb der Freimaurerlogen erschien ihnen widernatürlich und als Angriff auf die Ordnung des Staates. Nach der Aufhebung des Illuminatenordens 1786 und erst recht nach der Französischen Revolution erschienen in Deutschland eine große Zahl von gegenrevolutionären Schriften. Sie machten die Freimaurer und die Illuminaten für alle Übel der modernen Zeit, insbesondere aber für die Exzesse der Französischen Revolution verantwortlich. Die Schriften der deutschen Reaktionäre beeinflussten sowohl die französischen als auch die britischen Antirevolutionäre. Damit lösten sie den bis heute weitergetragenen Verdacht aus, die Illuminaten hätten als Geheimgesellschaft überlebt und übten hinter den Kulissen der Welt beständig ihren verderblichen Einfluss aus.
    In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts häuften sich die Schriften, in denen Freimaurer und Juden der gemeinsamen Verschwörung verdächtigt wurden. Konservativ-klerikale Kräfte in Frankreich und die katholische Kirche hatten daran entscheidenden Anteil. Betrachtet man die wirklich bedeutenden Verbreiter dieser Verschwörungstheorie, so sind es um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert drei große Gruppen:
    Teile der katholischen Kirche und konservativ-katholische Autoren,
die russisch-orthodoxe Kirche und konservativ-orthodoxe Autoren,
die antisemitisch eingestellte russische Regierung ab 1881 .

Freimaurer und Juden als Verderber der Menschheit
    Im Jahre 1898 schrieb der
Osservatore Romano
, das offizielle Sprachrohr des Papstes:
»Freimaurerei und Judentum, die gemeinsam angetreten sind, das Christentum auf der Welt zu bekämpfen und zu vernichten, müssen sich jetzt gemeinsam gegen das christliche Erwachen und den Zorn der Menschen verteidigen.«
    Die Unterstellung, dass Freimaurer und Juden heimlich zusammenarbeiten, findet sich auch in den
Protokollen der Weisen von Zion
und vielen anderen antisemitischen Schriften der Zeit um 1900 . Die meisten davon sahen die Juden als Anstifter und die Freimaurer (wie auch Sozialisten) als ihre Gehilfen an.
»Die Juden zogen ihren Nutzen aus der Proklamierung der Religonsfreiheit und der Gewährung der Staatsbürgerschaft … , um unsere Herren zu werden … Was regiert, ist die Freimaurerei, die gleichfalls von den Juden gesteuert wird«,
schrieb der Jesuitenpater Saverio Rondina im Jahre 1893 in der Jesuitenzeitung
Civiltà Cattolica,
die der direkten Aufsicht des Papstes unterstand.
    Dabei wollte Rondina ausdrücklich kein Antisemit sein. Er stellt deshalb fest:
»Wir schreiben dies nicht in der Absicht, in unserem Land irgendeine Form des Antisemitismus zu entfachen oder zu fördern.«
Offener Antisemitismus galt schon damals als pöbelhaft. Intellektuelle wollten damit nichts zu tun haben, ganz gleich, welche grausigen Dinge sie den Juden unterstellten.
    Hinter der kirchlichen Argumentation stand in etwa folgender Gedankengang: Wir haben euch immer gesagt, die Juden müssten von den Christen getrennt bleiben und in Ghettos leben. Aber ihr wolltet ja nicht hören und habt die Juden herausgelassen – und schon schwingen sie sich zu euren Herren auf. Juden sind verschlagen, betrügerisch und

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