Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Methoden zur Förderung der Zwecke des Ordens erlaubt.
Ein dritter Typ von Legenden schließlich beruft sich auf gefälschte Dokumente oder Berichte, betrifft also vollständig erfundene Ereignisse. So zitiert Duhr aus dem
Archiv für Strafrecht
die Behauptung, dass noch 1877 mit Hilfe der Jesuiten in Mexiko an einem Tag fünf Hexen verbrannt worden seien. Mexiko hatte jedoch bereits 1873 alle Jesuiten ausgewiesen.
Die Jesuitenfabeln in Duhrs Sammlung zeigen sehr gut, welches die vorherrschenden antijesuitischen Vorurteile waren: Jesuiten lügen, erlauben Unmoral, begehen auf Befehl ihrer Oberen oder des Papstes Verbrechen, häufen Reichtümer an, leben unmoralisch und gehen zur Erreichung ihrer Ziele über Leichen, natürlich immer mit einem frommen Spruch auf den Lippen. Richtig ist, dass Jesuiten national nicht gebunden, gut ausgebildet, streitbar, dialektisch geschult, politisch mächtig und stets unangenehm waren, selbst für ihre hochgestellten Gönner. Madame Pompadour, der Mätresse Ludwigs XV ., verweigerte ihr jesuitischer Beichtvater – ihrer fortwährenden Sünden wegen – Absolution und Kommunion. Sie verzieh
ihm das nie und gehörte fortan zu den entschiedensten Gegnern der Jesuiten. Heute ist der Jesuitenorden mit über 20 000 Mitgliedern der größte Orden der katholischen Kirche. Mit dem Machtverlust der Kirche ist aber auch sein Einfluss zurückgegangen, und er erscheint kaum noch in den Nachrichten, weder im Guten noch im Bösen.
In zeitgenössischen Verschwörungstheorien hat das Opus Dei den Jesuiten die Rolle des katholischen Schurken abgenommen. Das Opus Dei ist kein Orden, sondern eine 1928 gegründete konservative katholische Gemeinschaft (offiziell: eine Personalprälatur), der etwa 80 000 Laien und etwa 1800 Priester angehören. In seinem Bestseller
Sakrileg
wies Dan Brown die Rolle des Bösewichts einem Psychopathen aus den Reihen des Opus Dei zu und zeichnete dabei ein finsteres Bild dieser Organisation.
Juden, Freimaurer, Jesuiten: Gemeinsamkeiten
und Unterschiede
Alle drei Gruppen gelten bei ihren Gegnern als hoch organisiert und gegen äußere Einflüsse abgeschottet. Sie sind international ausgerichtet und entziehen sich damit dem üblichen Schema von Staats- und Volkszugehörigkeit. In der Vorstellung ihrer Gegner gelten Freimaurer als Feinde der Religion an sich. Juden und Jesuiten wird vorgeworfen, ihrer eigenen Religion die Vorherrschaft sichern zu wollen. Alle drei Gruppen sind weltweit verbreitet und ihre Mitglieder sind nicht unmittelbar als solche zu erkennen. Die Stereotype aller drei Gruppen enthalten also wichtige Teile des allgemeinen Dämonenstereotyps (mächtig, böse, unsichtbar, allgegenwärtig). Solche Gruppen sind immer bevorzugte Ziele des Verschwörungsglaubens.
Das Argument, eine Minderheit wie Juden oder Freimaurer sei grundsätzlich dem Misstrauen der Mehrheit ausgesetzt und deshalb Ziel von Verschwörungen, lässt sich hingegen nicht erhärten. So
hegen zum Beispiel in den USA erstaunlich viele Schwarze den Verdacht, Aids sei von der amerikanischen Regierung vorsätzlich verbreitet worden, um sie auszurotten. Umgekehrt haben viele Weiße in den USA zwar Angst, Opfer von schwarzen Gewalttätern zu werden, die Furcht vor einer Verschwörung der schwarzen Minderheit ist aber gering.
Gegen alle drei Gruppen, Juden, Jesuiten und Freimaurer, wurde auch immer wieder der Vorwurf des organisierten Verbrechens erhoben. Bei den Freimaurern ging es um den Satanskult, bei den Juden um Hostienschändung, Ritualmord, Hochverrat und Finanzdelikte, bei den Jesuiten um Königsmord, Erbschleicherei, Bereicherung und Betrug. Trotzdem gab es kaum ernsthafte Untersuchungen oder gar Anklagen. Fast alle Verfahren, Verhaftungen oder Hinrichtungen waren politisch begründet. Auch die Verbote des Jesuitenordens oder der Freimaurer hatten immer einen politischen, niemals einen kriminellen Hintergrund.
Die Verschwörungstheorien gegen die Freimaurer und Jesuiten richteten sich hauptsächlich gegen die Organisation, nicht gegen die einzelnen Mitglieder. Die meisten Freimaurer waren und sind örtliche Honoratioren, denen natürlich niemand Teufelsanbetung oder sexuelle Ausschweifungen unterstellen will. Jesuiten und katholische Priester genossen als Geistliche durchaus individuellen Respekt, auch bei Protestanten und Evangelikalen.
Hier unterscheiden sich die Verschwörungstheorien gegen Juden deutlich von allen anderen. In der europäischen Verschwörungstradition gilt
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