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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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heute noch das Meer zu sehen bekomme.« Ihre Augen hatten die Farbe von Heidehonig, bis Nachdenklichkeit den Ton ein wenig vertiefte. »Es war wirklich hübsch hier, Tom. Sehr. Du warst so …« Sie zog die Unterlippe ein.
    »Wir könnten im See baden, wenn du magst.« Er wollte nicht, dass sie wegfuhr.
    »… fürsorglich.« Auf ihrer Lippe blieb der Abdruck eines Zahns zurück.
    Er konnte sie nicht aufhalten, wozu auch? Aber ihr Lachen klang noch nach in seinem Ohr. Das würde sie mitnehmen und dann wäre es still, bis auf die Amsel. Endlos hatte er mit der Stille gelebt; mit ihr und den Pflanzen, dem Lädchen und den beiden Alten, die kamen und gingen wie die Tageszeiten, ihren Wein tranken und schwiegen. Bis vor einiger Zeit hatten sie herumgealbert oder polternd gestritten, hatten mit blitzenden Klingen um die Macht gefochten. Nach und nach waren sie verstummt; seltsamerweise schien ihnen das nichts auszumachen. Sicherlich würden sie eine Weile auf das Lädchen achten und auf die Karnivoren natürlich.
    »Wir könnten …« Tom stellte die Tasse ab, seine Hand zitterte leicht. Zeit für die »kleine Dosis«, die er sich ein-oder zweimal am Tag erlaubte; ein wenig, mehr nicht; das ging; seit Jahren. Eigentlich war es fast nichts. »Wir könnten den Rest des Tages zusammen verbringen und morgen fährst du weiter.«
    »Ich bin spät dran.«
    »Das Meer hat keine Öffnungszeiten.« Seine Mundwinkel taten etwas, das, als er noch in Übung war, zu einem Lächeln geführt hatte, aber sein Herz hämmerte. Claire senkte den Kopf, ihr Atem ging schneller. Als sie aufsah, lag eine Spur Zweifel in ihrem Blick .
    »Ich muss los.« Ihr schmaler Finger berührte flüchtig Toms Arm. »Vielleicht komme ich auf dem Rückweg …« Sie ließ den Satz in der Luft hängen. Und da blieb er, bis Tom unglücklich die abgesplitterte Stelle am Küchentisch anstarrte. Er hatte keine Ahnung, warum er wollte, dass Claire blieb. Sie war mit ihrem klapprigen Citroën aufgetaucht, sie hatten geredet und gelacht und nun wollte sie weiter. Das war alles. Blütenduft wehte herein und machte ihm das Herz schwer; das Zittern nahm zu.
    »Ich könnte den Keilriemen bestellen, in ein paar Tagen ist der da. Wir haben hier ein paar klare Seen in der Nähe, sehr nett. Du gehst kein Risiko ein.« Das war natürlich Unsinn. Sie konnte genauso gut mit einem ihrer Nylons weiterfahren bis sie die nächste Werkstatt fand. Sie konnte alles Mögliche tun. Aber er wollte nicht, dass sie alles Mögliche tat. Schweiß trat auf seine Stirn; er musste dringend etwas unternehmen.
    »Kannst du warten? Ganz kurz? Bitte …«, bis das verdammte Zittern endlich aufhört, dachte er. Sie sah ihn mit einem Blick an, den er nicht deuten konnte, aber es war höchste Zeit. Im Bad hing ihr Duft noch in der Feuchtigkeit. Tom handelte schnell und routiniert. Augenblicklich beruhigte sich sein Puls, der Schweiß trocknete. Er schöpfte Luft, während er seinen linken Ärmel herabstreifte und die Utensilien verstaute. Er hörte die Stufen der Stiege knarren. Eilig sprang er auf und erreichte Claire, als sie sich fluchend unter die Motorhaube beugte.
    »Verdammte Hacke! Muss das am entlegensten Ort passieren, den ich im letzten Jahrhundert durchquert habe?« Ihre Hände waren schwarz von Dreck und Öl. Als sie sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn strich, blieb ein dunkler Streifen zurück.
    »Was ist?« Tom wartete. Sie war nicht gefahren; nicht, ohne Adieu zu sagen.
    »Die Batterie.« An einem groben Tuch wischte sie sich die Hände ab. »Ich hätte viel früher anhalten müssen. Du hast kein Ladegerät, oder?« Zornig krachte sie die Motorhaube zu. »Sicher nicht. Und jetzt?«
    Tom machte ein teilnehmendes Gesicht, aber er konnte nicht verhehlen, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer tat.
    »Ich könnte recherchieren, wo wir den Keilriemen bestellen könnten.«
    »Und die Batterie? So eine bekommt man nicht so ohne Weiteres.«
    Claire nestelte Tabak aus ihrer Rocktasche und drehte eine Zigarette. Frustriert ließ sie sich auf den Fahrersitz fallen. Tom setzte sich in den Sand zu ihren Füßen.
    »Du musst wirklich weiter, was?« Das Ausmaß seiner Enttäuschung überraschte ihn selbst.
    Sie nickte, ohne ihn anzusehen. »Ich weiß nur nicht, wie.«
    »Und warum heute? Was macht es so eilig, ans Meer zu kommen?«
    »Dass ich es mir vorgenommen habe. Und weil ich tue, was ich mir vorgenommen habe.«
    Tom lachte auf und erhob sich. »Na dann …«.
    Zorn raubte ihm die

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