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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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zum ersten Mal gesehen habe.«
    Der Schmerz ließ endlich nach, und ich stand auf. Wetterleuchten über dem Grau. Es wurde Zeit für uns.
    »Es tut mir leid, wenn wir Sie beunruhigt haben. Sie leben wirklich sehr abgeschieden.« Wahrscheinlich hatte sie einfach Angst gehabt.
    »Nein, nein«, wehrte sie ab. »Das ist es nicht.« Nun lächelte sie sogar und trat einige Schritte näher. »Ich dachte, Sie sind … Ach, egal.« Ihr Blick prüfte erst uns, dann den Himmel. »Es wird einen Wolkenbruch geben. Wenn Sie wollen, können Sie einen Kaffee haben, bis der Regen vorbei ist.« Wind kam auf, und die ersten Tropfen fielen, als habe das Wetter ihre Worte abgewartet.
    »Danke, nein«, sagte Tom.
    »Gerne«, sagte ich.
    »Thekla Grün.« Sie gab mir die Hand, und ich sagte meinen Namen. Wieder das Strahlen.
    Im Haus roch es nach Rosmarin und Mittagessen. Kräuterbündel trockneten am Fenster und in einem Ballon gärte Hagebuttenwein, Stapel von Büchern kuschelten sich hüfthoch an die Wände.
    »Viele sind hier gewesen, wissen Sie?« Der Kaffee war kräftig und belebte mich ein wenig. Tom nippte nur.
    »Sie wollten den Hof. Kaufen!« Das letzte Wort spuckte sie aus wie etwas Widerliches.
    »Und Sie wollen ihn nicht verkaufen?« Meine Frage war arglos, aber ihre Augen wurden schmal.
    »Ich würde Sie ja auch nicht fragen, ob Sie mir Ihren Mann verkaufen.«
    Meinen Mann. Ich wendete das Wort in Gedanken. Es fühlte sich fremd an.
    »Nun, das ist vielleicht nicht ganz dasselbe.«
    Regen brach los und peitschte gegen die Scheiben.
    »Für Sie nicht.« Es war dunkel in der Küche. Schatten umlagerten ihr Gesicht. »Ich weiß, dass es seltsam klingen mag, aber ich habe ihn vor dreißig Jahren geheiratet. Und jetzt …« Sie unterbrach sich.
    Tom sagte »Aha« und sah zu Boden. Auch ich wusste mit dem Geständnis nichts anzufangen, bis sie sagte: »Den Hof.«
    Der Regen prasselte gleichmäßiger. In der Ferne grollte Donner. Blitze über dem Meer.
    »Den Hof«, wiederholte ich blöde. »Geheiratet.«
    »Ich kenne niemanden, der meine Neigung teilen würde, und vermeide es normalerweise, darüber zu reden. Die Leute in der Gegend hätten mich für verrückt gehalten. Ich bin nicht wie andere.«
    Das war offensichtlich. Bisher war mir tatsächlich keine begegnet, die ein Haus geehelicht hätte. Ich fragte mich, wie eine solche Person veranlagt sein musste und warum sie ausgerechnet uns ins Vertrauen zog.
    »Sie sind nicht von hier«, beantwortete sie meine Frage, als hätte ich sie laut gestellt. »Meine Freundin sah Ihnen ein bisschen ähnlich, Claire. Früher.«
    »Sie sind also nicht allein, Sie haben eine Freundin?«
    »Ich hatte eine. Sie starb im letzten Jahr. Und ja, ich habe Freunde, selbstverständlich. Eine Handvoll jedenfalls.«
    Es fiel mir schwer, mir ein Leben mit einem Hof als Ehemann, einer Handvoll Freunden zwischen Kräutern und selbstgemachtem Wein vorzustellen. Für einen Moment hatte ich den Geruch von Motoröl in der Nase. Die Werkstatt. Zu Hause. Er brachte ein Gefühl von Verlust mit sich. Mitten in meine Gedanken sagte sie: »Die Liebe ist, wie sie ist. Man muss ihr folgen und bleibt ohne Wahl.«
    Ich mochte es nicht laut sagen, nicht in Toms Gegenwart, aber darin verstand ich sie sehr wohl. Nicht ohne Neid bemerkte ich die Gelassenheit, mit der sie diese Erkenntnis aussprach.
    »Jetzt ist er alt, und ich auch«, fuhr sie fort. »Den Stall und die Scheune konnte ich nicht retten. Aber ich kann nicht zulassen, dass auch noch das Haus verfällt.«
    »Haben Sie keine Hilfe?« Tom wirkte ruhiger. Das Morphin tat allmählich sein Werk.
    »Nein. Es gibt eine Menge Leute, die die Lage schätzen und auf dem Stück Land direkt am Wasser Ferienwohnungen errichten wollen, ohne den Hof natürlich. Den wollen sie abreißen.«
    »Das wäre bedauerlich, nicht allein wegen der Immortellen und der Golddisteln, die ich im Vorgarten entdeckt habe.« Tom schenkte Thekla einen Blick, wie ich ihn nur einmal bei ihm gesehen habe. Damals, ganz am Anfang, der nach meinem Gefühl Jahre zurückliegen musste. Auch das Herz der alten Thekla hakte sich daran fest.
    »Wenn ich jemanden fände«, ihre Stimme zitterte, »der ihn versorgte, wenn ich nicht mehr bin … «
    Tom nahm ihre Hand, die so rissig war wie die Mauern der Scheune. Der Regen hatte aufgehört. Ich erhob mich und spürte den Schmerz.
    »Danke, Thekla Grün. Für den Kaffee. Und alles. Ich würde mich freuen, wenn wir wieder einmal …«
    »Wo willst du hin?« Tom hielt

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