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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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ohne auf die Form zu achten gefeiert. Die Ausgebildeten hatten viel, woran sie sich erinnern konnten; die Novizinnen hatten viel zu lernen. Wie hätten sie diese Dinge besser kombinieren können als damit, sich gegenseitig in den Armen zu liegen, zu Walzertakten zu tanzen oder sich im Bett zu den Takten der Ekstase zu bewegen?
    Rura tat der Pflicht genüge und tanzte zweimal mit Kayt und zweimal mit Jolan. Sie war offensichtlich in einer gänzlich passiven Phase, denn sowohl Kayt als auch Jolan übernahmen die aggressivere Rolle. Sie tanzten mit ihr, sie küßten und streichelten sie. Und all das bedeutete nichts. Lange vor Mitternacht konnte Rura den Feierlichkeiten entschlüpfen.
    Sie brachte ihre Taschen in das Pankhurst Hotel, in der Park Lane, nahm sich ein Zimmer, bestellte eine Flasche Whisky, setzte sich auf ihr Bett und betrank sich sinnlos.
    Sie sprach private Trinksprüche.
    „Für Moryn. Ohne Furcht, ohne Verstand. Ruhe in Frieden, du hast deine Ausbildung ehrenvoll abgeschlossen.“
    Sie spülte die Worte mit einer großzügigen Portion Whisky hinunter.
    „Für die liebliche Olane, die nichts wußte und die niemals etwas wissen wird.“
    Eine weitere großzügige Portion.
    „Für Flora MacDiarmid, Männersklavin. Schlafe gut, jetzt, da du befreit bist.“
    Der Whisky lief herunter wie Wasser. Aber immer noch konnte Rura das faltige Gesicht und das weiße Haar sehen.
    „Für Ewan MacDiarmid, Sohn eines Mannes, der gestorben ist, bevor er noch lebte.“
    Rura zitterte. Der Whisky schmeckte bitter.
    „Für Diarmid MacDiarmid“, heulte sie. „Schwein, Zerstörer, Sklavenhalter. Du sollst in der Hölle braten!“
    Sie nahm einen großen Schluck Whisky. Dann ließ sie sich zurück auf das Bett fallen und den Tränen ihren Lauf. Whisky-Tränen. Sie bedeuteten nichts. Sie bedeuteten nur, daß Rura Alexandra, Vernichterin erster Klasse, betrunken und dumpf war. Dumpf und betrunken.
    Das Zimmer begann, sich im Kreise zu drehen; und bis zum Morgen gab es nichts als gedämpfte Seelenqual.
    Rura wachte früh auf. Ihre Hände zitterten. Ihr ganzer Körper zitterte. Sie ging ins Badezimmer, zog die Kleider aus und stellte sich unter die Dusche. Sie hätte eine heiße Dusche nehmen können, eine warme Dusche, eine lauwarme Dusche. Aber als eine Art Bestrafung nahm sie eine eiskalte Dusche. Sie stand da, bis sie vor Kälte zitterte, bis ihr ganzer Körper gefühllos zu sein schien. Dann drehte sie die Dusche ab, trocknete sich ab und zog sich an.
    Der Tag hatte kaum begonnen. Sie schlich sich aus dem stillen Hotel und ging im Hyde Park spazieren. Die Luft roch wundervoll und sauber. Auf dem Gras war Tau.
    Sie ging durch den Park und genoß die stille Atmosphäre des frühen Morgens. Das ist die Zeit, dachte sie, in der du wirklich allein sein kannst; und doch bist du nicht allein, sondern du bist Teil des Ganzen – das Gras, die Bäume, der Himmel. Sie ging zum Serpentinensee und betrachtete die bewegungslose Wasseroberfläche. Kein Lüftchen rührte sich, und der See war spiegelglatt. Rura schaute sich die Spiegelungen der Bäume an, bewunderte die ertrunkene Welt, die auf dem Kopf stand, die unnachahmliche Symmetrie von Gegenstand und Abbild. Sie tat ihr Bestes, nicht nachzudenken; und für den Moment hatte sie Erfolg damit.
    Dann stand sie direkt am Ufer und betrachtete ihr eigenes Gesicht. Es schien völlig ausdruckslos zu sein. War das wirklich das Gesicht einer enthusiastischen Vernichterin? War es das Gesicht einer Frau, zu – wie Curie Milford vorausgesagt hatte – einer Generation gehörig, die die Männer für immer auslöschen würde?
    Plötzlich erschien ein zweites Gesicht neben dem ihren.
    „Gib mir einen Euro für mein Frühstück, gute Frau, und viel Glück wünsch ich dir. Das Fest ist vorüber; aber der silberne Nippel sagt mir, daß du das Blut gut hast fließen lassen. Noch bevor das Jahr vorüber ist, werden auf dieser neuen Uniform Flecken sein, die dir zur Ehre gereichen.“
    Rura drehte sich um und schaute die Frau an, die ihre Einsamkeit gestört hatte. Eine Stadtstreicherin. Eine alte, zerstörte Frau, um die sechzig. Gekleidet in formlosen, zerrissenen Sachen. Sie hatte eine zerschlissene Reisetasche bei sich. Eine Vernichterinnen-Tasche. Das schwarze Leder war mit dem Schädel und den gekreuzten Knochen verziert. Für Zivilisten war es gesetzlich verboten, Vernichterinnen- Ausrüstung zu benutzen.
    „Wo hast du das her?“
    Die Frau lachte und fuhr sich mit der Hand durch das

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