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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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wollten. Aber es mußte doch große Männer gegeben haben, die nicht nur zerstörten. Männer, die lieben konnten …
    Warum mußte es Männer gegeben haben, die lieben konnten? Die Geschichte der Menschheit – die Geschichte der Männer – war die Aufzeichnung andauernder Qual und Pein. Bis die Frauen genug geweint hatten. Bis die Frauen die Männer vertrieben und Vernunft eingebracht hatten. Stabile Regierung, vernünftige Handhabung der Wirtschaft, keine Kriege mehr.
    Und doch war Vernichten nichts anderes als Zerstören. Und ich bin eine Vernichterin, also bin ich eine Zerstörerin. Und was muß ich zerstören? Nur die Samen der Zerstörung selbst, nur die Männer.
    Später ging sie an der Uferstraße entlang, betrachtete das, was früher Queen’s College gewesen und jetzt das College der Befruchterinnen war.
    Ich hätte eine Befruchterin werden sollen, sagte sich Rura. Ich hätte mich mehr auf die Erschaffung als auf die Zerstörung von Leben konzentrieren sollen.
    Die Waterloo-Brücke wurde abgerissen. Viele Themsebrücken wurden jetzt zerstört. Wer braucht schon Brücken, wenn die Frautos geräuschlos über das Wasser gleiten konnten? Laßt die Themse ungestört fließen.
    Waterloo. Eine Schlacht. Eine Orgie der Vernichtung, geplant und ausgeführt von Männern. Und was war eine solche Schlacht wert, solch ein Sieg – im Vergleich zu den Wehen all der Frauen, die die Soldaten geboren hatten, deren Blut dann vergossen worden war?
    Curie Milford hat recht, dachte Rura. Jede hat recht. Ich habe recht. Es wird keinen andauernden Frieden geben, bis der letzte Mann vernichtet ist.
    Und was ist mit der walisischen Hauptfrau, deren Waterloo vor langer Zeit ein sonniger Hügel gewesen war?
    „Sie hat es genossen!“ rief Rura schreckerfüllt. „Sie hat es genossen!“
    Passanten starrten sie an. Sie bemerkte es nicht.
    Ein dreckiger, verschwitzter Mann, der eine ausgebildete und intelligente Frau in einen Haufen zitternden Fleisches verwandelte. Es war widerwärtig, es war herabwürdigend, es war undenkbar.
    „Sie hat das Baby verloren! Sie hätte den Balg abtöten müssen! Sie hätte ihn töten müssen!“
    Und doch hatte die Hauptfrau der walisischen Truppen zwanzig Jahre in Trauer verbracht. Zwanzig Jahre hatte sie geopfert und eine Karriere, weil ein Mann sein Fleisch in ihres hineingezwängt hatte.
    Rura ging weiter, ohne Verstand, ohne zu sehen. Muskulöse Arbeiterinnen, deren Brüste steinernen Keilen glichen, bauten ein dreißig Stockwerke hohes Haus, das eine neue Abteilung der Regierung beherbergen sollte. Sie pfiffen hinter ihr her. Aber sie hörte die Pfiffe nicht.
    Dann fand sie eine Bar und begann zu trinken. Dann bemerkte sie mit Erstaunen, daß die Sonne untergegangen war und die Sterne am Himmel waren. Sie konnte noch stehen. Sie brachte es sogar noch fertig, wenn auch mit Mühe, zu gehen. Sie winkte ein Fraxi herbei und erklärte der Fahrerin vorsichtig, daß sie am Pankhurst-Hotel abgesetzt werden wollte.
    Als sie in ihr Zimmer kam, lag die bezaubernd schöne Frau mit dem weißen Haar in ihrem Bett. Rura beschwerte sich nicht. Beschwerden hatte sie hinter sich gelassen. Sie entkleidete sich, fiel ins Bett und ließ die weißhaarige Frau mit ihr tun, was sie wollte.
    Am Morgen ging die Weißhaarige und hinterließ einhundert Euros. Rura – sie hatte einen elenden Brummschädel – brachte ein Lachen über die Lippen. Wer bezahlte hier wen für was?
    Sie duschte sich und ging dann frühstücken. Die weißhaarige Frau war nirgendwo zu sehen. War sie einem neuen Opfer auf der Spur? Und was für einen Unterschied machte das?
    Rura fing wieder an herumzuirren. Und zu trinken. Als sie schließlich in ihr Hotelzimmer zurückkam, war Leutnant Kayt in ihrem Zimmer.
    Déjà vu. Rura hätte am liebsten laut gelacht. Sie lachte laut.
    „Was soll das alles, verdammt noch mal?“ verlangte Kayt zu wissen. „Ich habe überall nach dir gesucht. Was hast du eigentlich vor?“
    „Nichts. Ich habe überhaupt nichts vor.“
    „Rura, irgend etwas ist mit dir geschehen. Diese verdammten Schweine. Du brauchst jemanden, der für dich sorgt. Sonst fällst du in Stücke. Ich liebe dich, Rura. Ich liebe dich.“
    „Ich liebe dich auch.“
    „Bei allen Göttinnen, dann haben wir einen Grund zum Feiern. Das College habe ich hinter mir gelassen, Rura. In Zukunft scheiß ich auf die Novizinnen. Ich habe mich versetzen lassen. Große Sache.“
    „Und?“
    „Willst du nicht wissen, wohin ich versetzt worden bin?“

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