Freiwild Mann
in eine dunkle Wolke. Nein, es war keine dunkle Wolke. Es war das Gesicht Diarmids, das sich gegen den Himmel abzeichnete.
Wieder sah sie die schrecklichen Bilder. Brennendes blondes Haar. Fallende Körper, die in Flammen aufgingen.
„Mörder! Verdammter Mörder!“
„Das ist ein ebensogutes Wort wie jedes andere“, sagte er sanft. „Töten heißt Morden, das einzigartige Wunder des lebenden Individuums zu zerstören. Ich morde nur die, die eine ganze Art ermorden wollen. Was ist nun das größere Verbrechen?“
Rura bemerkte, daß ihre Arme und Beine frei waren. Diarmids Gewehr lag in der Nähe. Vielleicht nahe genug, um es zu erreichen.
Er las ihre Gedanken. „Du hast noch viele Gelegenheiten, mich umzubringen. Du bist meine Frau. Ich kann dich nicht immer im Auge behalten. Ich kann nicht immer wach sein, wenn du wach bist … Weißt du, was ich jetzt mache? Ich bade im Loch. Sicherlich eine Dummheit, denn der Hubschrauber hatte noch Zeit zurückzufunken, bevor ich ihn erwischt habe. Eine Dummheit auch, weil du hier bist und dieser Ort mit Waffen übersät ist … Rura Alexandra, du schwankst und schwankst und schwankst. Du zerstörst dich selbst durch deine mangelnde Entschlußkraft. Entschließe dich, Kind. Aber laß mich erst noch ein Bad nehmen. Der Regen war gut auf der Haut, als ich den Duglas töten mußte. Die Wasser des Loch Lomond werden auch gut sein, ob ich jetzt lebe oder sterbe.“
Er zog sich aus. Sie beobachtete ihn. Während er seine Hosen auszog, griff sie sich das Gewehr.
Rura stand auf. „Mörder!“
„So ist es. Ich bin ein Mörder. Ist es einem Mörder erlaubt, ein erfrischendes Bad in diesem herrlich blauen Wasser zu nehmen, bevor er exekutiert wird?“
Er stand nackt im Sonnenlicht und schaute sie an. Sie betrachtete die Form seines Körpers, die Kraft in diesen braunen Schultern, die Narben, die noch nicht verheilt waren, die Wunde in seinem Bein, die Naht in seinem Arm – die Naht, die sie gemacht hatte. Und die seltsamen männlichen Attribute, die zwischen seinen Beinen hingen.
„Mörder!“
„Also gut, Rura. Willst du dich auch zum Mörder machen? Es dauert nicht lange, bis die Grenzer kommen. Mein Körper ist dann ein Zeugnis deiner Loyalität. Aber laß mich zuerst schwimmen.“
Er drehte sich um und ging ins Wasser.
Sie versuchte, ihren Finger dazu zu bringen, den Abzug zu betätigen. Er tat es nicht. Sie fluchte und weinte. Dann warf sie das Gewehr zu Boden und fing an, ihre eigenen Kleider auszuziehen. Sie lehnte es ab, weiterhin zu denken. Die Zeit des Denkens war vorbei.
Nackt folgte sie Diarmid in das Loch. Das Wasser raubte ihr den Atem. Es war eiskalt. Kälter, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie genoß die Kälte und folgte Diarmid in das tiefere Wasser.
„Ich liebe dich“, sagte sie. Sie mußte des Wassers wegen nach Luft schnappen und keuchen. „Ich liebe dich, und ich will nicht mehr denken. Diarmid, hilf mir. Bring meine Gedanken zum Stillstand. Tu das irgendwie.“
Er schwamm auf sie zu, berührte sie, hielt sie fest. „Ich kann dich nicht vom Denken abhalten, aber ich kann dir das Fühlen ermöglichen.“
Er küßte sie, und beide sanken unter die Wasseroberfläche. Dann keuchten sie und prusteten und kamen wieder an die Oberfläche.
„Zurück“, sagte er keuchend. „Wir schwimmen zurück. Ich weiß jetzt, daß du wirklich meine Frau bist, und wir beide müssen leben. Wir müssen hier weg, bevor die Frauen aus der Hölle kommen und uns dahin schicken.“
Sie schwammen ans Ufer und blieben dort ein paar Minuten liegen, um sich von der Sonne und der Luft trocknen zu lassen.
„Liebe mich“, sagte Rura. „Ich will mich einem Mann öffnen. Bitte liebe mich. Dieser Ort ist vom Tod verpestet. Lassen wir auch ein wenig Leben hier.“
Diarmid lag auf ihr, streichelte sie, liebte sie.
Es war nicht wie die Vergewaltigung vom Vortag. Es war auch nicht wie irgend etwas, das sie mit Frauen erlebt hatte. Es war etwas, was sie noch nie erlebt hatte.
Es war warm, es war verwirrend, es war erregend, es war erniedrigend, es war erhebend.
Sie fing an zu weinen. „Ist es nicht seltsam?“ schluchzte sie. „Ich habe keine Angst mehr. Die Einsamkeit ist verflogen, und ich habe keine Angst mehr.“
Hinterher waren sie davongejagt, mit hoher Geschwindigkeit das enger werdende Loch hinauf. Weg von dem Ort des Todes, der Zerstörung und der Liebe.
Eines der Frautos von den Grenzern war zerstört, aber das andere war unberührt und noch
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