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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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gleichgültig, was mit mir geschieht?“
    „Es ist mir nicht gleichgültig“, sagte er. „Es ist mir keineswegs gleichgültig. Aber es ist meine Pflicht, meinem Volk zu dienen, die Interessen dieser Menschen zu vertreten, so gut ich immer kann. Im Krieg gibt es keine Gesetze. Ritterlichkeit war zu einer Zeit angebracht, in der die menschliche Rasse nicht vom Aussterben bedroht war.“
    „Habe ich gesagt, daß ich dich liebe?“ schrie sie. „Das war eine Lüge. Eine verdammte Lüge. Ich habe mich selbst angelogen. Es gibt niemanden, den ich liebe, nichts, wofür ich lebe.“
    Diarmid lachte bitter. „Wir leben, um Schmerz zu ertragen, oder wir leben, um ihn zu vermeiden. Du lebst jetzt, um ihn zu vermeiden. Du wirst das Frauto steuern.“
    „Bald“, sagte sie ruhig, „werde ich zuerst dich und dann mich selber umbringen.“
    „Wahrscheinlich. Der Gedanke ist mir gekommen, als ich zum ersten Mal auf Mull gesehen habe. Das macht so gut wie keinen Unterschied. Und jetzt bringst du ein paar von uns zurück zum Loch Lomond, und wir bemühen uns um eine Wiederholungsvorstellung.“
     

18
     
    Gestern war das Loch Lomond dunkel, feindselig und bewegt gewesen. Heute war es ein See von großer Schönheit, ruhige blaue Wasser unter einem ruhigen blauen Himmel, Inseln, die aussahen, als seien sie von einem Romantiker aus dem neunzehnten Jahrhundert in die Szenerie hinein gemalt worden, Berge in dezente Sommerfarben gehüllt.
    Gestern war Loch Lomond Zeuge von Tod und Verwüstung gewesen, der Erniedrigung des menschlichen Geistes. Würde es heute wieder dasselbe erleben? Würde es immer wieder so sein, bis der letzte Mann gestorben war?
    Rura war müde, hundemüde. Es war nicht nur eine körperliche Müdigkeit, sie durchdrang ihr gesamtes Wesen. Sie hatte keine Willenskraft mehr, keinen Widerstand, nichts. Es war, als sei sie ein Automat. Es war, als habe Diarmid – nein, nicht nur Diarmid, sondern alles, was ihr seit dem Vernichtungstag zugestoßen war – sie eingeebnet, sie übernommen, sie in ein Wesen ohne Überzeugung verwandelt, ohne Ziel, ohne Freiheit.
    Sie hatte das Frauto zurück zu diesem verbrannten Lager des Todes gebracht. Sie hatte das Frauto hierhergebracht und mit dem Frauto Diarmid und zwei seiner fähigsten Männer, bewaffnet mit Lasergewehren und Granaten. Sie hätte sich am liebsten übergeben. Es würde alles von vorn beginnen. Sie wußte es. Haß würde auf Haß stoßen; das grausame, sinnlose Verbrennen.
    Das verbrannte Gras und die Asche der Zelte waren unberührt. Mirage und Robin lagen, wie sie gefallen waren. Mirage auf dem Gesicht, der halbe Kopf weggebrannt. Robin auf dem Rücken, einen Pfeil zwischen den Brüsten, den anderen im Bauch. Fliegen krochen über ihre toten Augen. Es war obszön. Mußte denn Tod immer obszön sein? Immer vielleicht, wenn es gewaltsamer Tod war, Tod durch Haß?
    Rura stieg aus dem Frauto, machte den Fehler, nahe an ihre gestrigen Begleiterinnen zu gehen und übergab sich heftig.
    „Verzeiht mir“, flehte sie schweigend, während sie würgte, während sich ihr Körper krümmte, während die Tränen ihr aus den Augen flössen und sich mit dem Erbrochenen mischten. „Verzeih mir, Robin, wie ich auch dir verzeihe. Wir alle waren gefangen in der grausamen Vernichtungsmaschine. Wir bekämpfen nicht die Männer und sie nicht uns. Wir alle bekämpfen nur uns selbst. Das ist es, wohin wir getrieben werden – Massenselbstmord. Soviel halte ich von unseren schönen Idealen. Es ist ein hübscher Tag, obwohl ihr das nicht mehr merkt. Es ist ein schöner Tag, und ihr liegt dort, schrecklich, tot, und heute wird der Tod wieder reife Ernte halten. Vergebt mir. Ich werde zu euch kommen. Wenn nicht heute, dann an einem nicht allzu fernen Tag. Aber die Sonne wird weiter scheinen, die Vögel werden wieder singen, und schließlich wird die Erde vielleicht wieder rein sein. Vergebt mir. Wir alle tragen Schuld und sei unsere Schuld auch verschiedener Art.“
    Von dem Erbrochenen stieg Dampf auf. Noch nicht einmal im Leiden lag Würde.
    Diarmid ignorierte sie. Er war damit beschäftigt, seine Begleiter einzuweisen. Das Frauto würde sichtbar neben dem Lager geparkt. Rura würde der Köder sein, das angeleinte Geißlein. Sie entkleideten Mirages Körper – ein solch blasser, schmaler Körper. Dann zogen sie das Gewand Rura über. Diarmid führte die Hände in die Ärmel. Sie ließ es geschehen, gefühllos wie eine Puppe, ihre Augen sahen nichts, ihr Gesicht drückte nichts aus.

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