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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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beinahe vollgetankt. Diarmid zog es Ruras Frauto vor, dessen Treibstoff schon zu mehr als fünfzig Prozent verbraucht war.
    Während Rura sich wieder die verblichenen Kleider von Flora MacDiarmid anzog und ihr Haar so gut es ging trocknete, hatte sich Diarmid auf den unangenehmen Weg gemacht, die unbeschädigten Waffen einzusammeln. Er stapelte sie auf dem Rücksitz des Frautos. Schließlich hatte er die beiden anderen Fahrzeuge mit Granaten zerstört. Vielleicht würden sie ihnen abkaufen, daß sich die beiden Parteien gegenseitig zerstört hatten. Vielleicht auch nicht. Es hing davon ab, welche Informationen der Hubschrauber zurückgefunkt hatte, bevor er abgeschossen worden war. Es war auf jeden Fall einen Versuch wert. Diarmid verbrannte zwei oder drei Körper, um sie unkenntlich zu machen. Glücklicherweise trug ein Lufthauch den gräßlichen Geruch verbrennenden Fleisches von Rura weg, hob ihn über die Bäume und verteilte ihn über das Tal, wo er sich verlor.
    Als Diarmid fertig war, rief sie. Auf dem Weg zum Frauto versuchte sie an allem vorbeizusehen. Sie wollte die Qualen des Wissens nicht ertragen. Sie hatte sich jetzt dem Überleben der Männer verschrieben. Oder war es nur ein Mann? Sie wollte es nicht wissen. Sie wollte es wirklich nicht wissen.
    Als die Kilometer vorbeirauschten, entspannte sich Diarmid. Er hatte schnelle Nachforschungen erwartet. Das war nicht eingetroffen. Vielleicht hatte der Hubschrauber keine Zeit gehabt, genaue Angaben zu machen. Vielleicht war auch die nächste Patrouille zu weit weg. Das war nicht so wichtig. Wichtig war nur, daß er und Rura mit Höchstgeschwindigkeit nach Norden fuhren; und jede Minute, die verging, ohne daß ein Hubschrauber oder ein Frauto auftauchte, erhöhte ihre Überlebenschancen.
    Wichtig war für Rura jetzt – sie dachte nicht mehr an Treulosigkeit, Trauer und Tod – das Wunder, das in ihr vonstatten gegangen war. Es war, als sei sie aus einem dunklen Tunnel ins Sonnenlicht gekommen. Es war, als sei der Schnee des Lebens in einem plötzlichen Tauwetter verschwunden. Es war, als hätte sie zum ersten Mal das Meer gesehen.
    Ein Teil von ihr steuerte das Frauto mit mechanischer Genauigkeit. Der andere Teil glühte. Ein Mann – dieser Mann neben ihr – hatte soeben zwanzig Jahre Konditionierung weggewischt. Er hatte sie körperlich geliebt; und während der Samen heftig und wundervoll durch ihre Vagina pulsierte, hatte sie den Blick in seinen Augen gesehen – und hatte die Auflösung von Rura Alexandra und Diarmid MacDiarmid erfahren. Übrig blieben nur noch Mann und Frau. Nicht der Mann, der vergewaltigte, und die Frau, die nur Sexualobjekt war. Nur Mann und Frau. Natur, die vor Freude bebte. Die Natur, die Herrscherin der Jahreszeiten und die Spenderin der Frucht. Die Natur, die Göttin des Lebens und des Todes und der Geburt.
    Rura glaubte nicht mehr länger an die Überlegenheit der Frau. Und sie glaubte auch nicht an die Überlegenheit des Mannes. Sie glaubte einzig in die Unausweichlichkeit des Lebens. Die natürliche Erfüllung allen Lebens.
    „Diarmid, wo fahren wir hin? Willst du, daß ich nach Westen in Richtung Mull abdrehe?“
    Er schüttelte den Kopf. „Wir haben etwas bezahlt, Rura. Wir haben den Rest des Tages für uns allein erkauft. Fahr nach Nordwesten. Wir fahren über Loch Tay und dann irgendwohin in die Berge. Wir machen ein Picknick und sonnen uns und tun so, als sei die Welt noch jung. Wärst du damit einverstanden?“
    Sie lachte. Wie war es möglich, nach so viel Traurigkeit zu lachen? Sie wußte es nicht, aber sie lachte. Möglicherweise war es nur Leben, das sich an Leben erfreute. „Das wird eine Zeit, an die ich mich erinnern werde“, sagte sie. Und plötzlich war sie traurig. „Es wird eine Zeit sein, an die ich mich erinnere, wenn die Sonne verschwunden ist und wenn jeder Horizont der Welt dunkel ist.“
    „Hör damit auf, Kleine. Diese Dunkelheit wird kommen, schon bald. Davor aber sind die hellen Stunden. Und einige davon liegen jetzt vor dir.“
    Sie hatten jetzt Loch Lomond in schneller Fahrt hinter sich gelassen, und das Frauto fuhr über kristallene Bäche durch Schluchten, wo statt der rauhen Hügel des Hochlands, Farn, Binsen, Wildblumen und Gras war, welches leuchtend grüne Farben hatte. Vor ihnen öffnete sich Loch Tay, einen Kilometer breit, fünfundzwanzig Kilometer lang. Im Sonnenlicht sprangen Fische aus dem Wasser, Lachse oder Forellen und die Sonne reihte glitzernde Perlen aus den Wassertropfen,

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