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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Belle
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Fassade war. Ich kuschelte mich enger an seinen herabhängenden Unterarm und schlief beruhigt wieder ein.
    Als ich die morgendlichen Fanfaren zum allgemeinen Wecken hörte, war Ralf verschwunden. Ich war alleine in meinem Zimmer. Was wäre, wenn dieser Mann jetzt hier hereinkommen würde? Wie lange würde er wohl im Arrest sitzen müssen? Würde ich ihm irgendwann begegnen? Würde er sich für seine gebrochene Nase rächen wollen? Ich hatte Angst und zog mir die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Ich konnte schwere Stiefeltritte im Gang vor meinem Zimmer hören. Die Türklinke bewegte sich. Die Tür ging langsam auf und ich bekam Panik. So klein ich mich irgendwie machen konnte, rollte ich mich zusammen und zog mir die Decke bis über die Ohren. Ich war hier hilflos und gefangen. Ich wollte lieber nicht sehen, wie der Vergewaltiger zu meinem Bett laufen würde. Mein Herz klopfte wie wild, ich atmete heftig und fing an zu zittern.
    „ Anne?“. Ralf rief vorsichtig in das Zimmer hinein. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich zog die Decke wieder ein Stückchen herunter. Er hatte seine Uniform an, war wieder rasiert und die Haare gekämmt. Ganz der schicke Soldat und das genaue Gegenteil von dem, was er mir gestern von sich präsentiert hatte. Seine Uniform war seine Muschelschale, in die sein Inneres verpackt war, gut geschützt vor allem, was auf ihn einwirken mochte. Unter der Dusche hatte ich seine verwundbare und empfindsame Seele ebenso gesehen wie er meine. Jetzt war er im Dienst. Geschäftig, präzise und gewissenhaft. Nichts erinnerte an den vorsichtigen, sensiblen Mann von gestern.
    „ Oh, du bist wach. Schön. Gut geschlafen?“ Ich erntete ein unsicheres Lächeln von ihm und nickte. „Es tut mir leid, aber ich muss jetzt zum Dienst. Es geht nicht anders. Aber es steht eine Wache vor deiner Tür. Es kann dir also nichts passieren. Wenn du was brauchst, dann rufst du ihn einfach. Ich komme sobald ich kann wieder vorbei, ja?“
    Mit diesen Worten stellte er ein Tablett mit einem Frühstück auf den Nachttisch. Heißer, dampfender Kaffee, Toast, Erdbeermarmelade. Es duftete himmlisch. Mein Magen knurrte laut und erinnerte mich daran, wie lange ich schon nichts mehr gegessen hatte.
    „Das ist nett von dir.“ Dankbar sah ich ihn an. Ich wollte zwar nicht, dass er so schnell schon wieder verschwand, aber ich wusste auch, wie pflichtbewusst er war. Er wollte schon gehen, da berührte ich leicht seinen Unterarm: „Ralf...?“. Sofort drehte er seinen Kopf zurück zu mir: „Ja?“. Ich hätte ihm gerne von meinen Gedanken über meine Muschelschale erzählt. Wie sehr ich mich nach seinem sensiblen Ich sehnte und wie dankbar ich ihm für die Zeit hier bei mir war, aber ich konnte nicht. Es war einfach nicht der richtige Augenblick. Vielleicht hätte es auch dazu geführt, dass er mich berühren würde - und wenn es nur ein Streicheln gewesen wäre. Aber soweit war ich nicht. Ich wollte mich nicht anfassen lassen. Auf keinen Fall. „Ach, nichts. Schon gut. Danke fürs Frühstück!“ Schüchtern lächelte ich ihn an und ließ ihn gehen.
    Ich richtete mich in meinem Bett auf und fiel mit Heißhunger über das Frühstück her; danach humpelte ich ins Bad und besah mich im Spiegel. Auf dem Jochbein hatte ich eine kleine Schürfwunde, der Hals war komplett blau angelaufen. Mehr konnte ich leider nicht von mir sehen, denn der Spiegel hing für mich einfach zu hoch. Und wenn schon. Körperlich ging es mir besser. Die Muskeln brannten nicht mehr bei jeder Bewegung und meine Rippen taten nicht mehr bei jeden Atemzug weh. Zum Zähne putzen wickelte ich mir ein Tuch um den Hals. Ich mochte das nicht sehen, erinnerte mich der blaue Fleck doch nur an das, was geschehen war. Zu der Schürfwunde im Gesicht konnte ich mir eine Geschichte einfallen lassen. Vielleicht war ich irgendwo dagegen gerannt oder war hingefallen oder so etwas in der Art. Aber zu einem blau angelaufenen Hals fiel mir keine andere plausible Erklärung als die Wahrheit ein.
    Ich wollte nicht bei jeder Gelegenheit darauf angesprochen werden und vielleicht wildfremden Menschen erklären müssen, warum ich ein Würgemal am Hals hatte. Das war mir für Smalltalk einfach zu persönlich und ging niemanden etwas an. In diesem Fall empfand ich es nur gerecht, mich selbst auch anzulügen. Ich wollte mich selbst nicht mit meinen eigenen Problemen belasten. Es war offensichtlich, dass ich welche hatte. Aber solange ich mein Spiegelbild nicht fragte, wie es ihm ging, solange

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