Freiwild
mir? Ich hab da ein großes Problem und brauche deine Hilfe.“ Wie konnte ich ihm nur erklären, dass ein alter One Night Stand hinter mir her war? Was mich alles sonst so bedrückte und was ich nicht alleine durchstehen konnte? War Micha Freund genug, um mir zu helfen? Wenn Patrick doch wieder im Camp war und bis an meine Zimmertür spazierte, wer wusste schon so genau, was noch alles passieren konnte. Ich war schließlich gewarnt. „Micha, ich erklär' dir das gleich. Aber könntest du bitte hier bei mir übernachten?“. Micha brummte, überlegte einen Augenblick und meinte dann: „Du weißt aber schon, dass zu Hause ein Frauchen auf mich wartet? Und Ralfi wäre da auch nicht so glücklich drüber!“. Trotz aller Umstände musste ich lächeln und versprach, ihm nichts anzutun. Ich brauchte dringend einen Freund. Niemand, abgesehen von Ralf, konnte das besser sein als Micha.
Es dauerte nicht lange und Micha war, mit einem Feldbett bepackt, an meiner Tür. Dankbar ließ ich ihn herein und sperrte die Tür gleich wieder zu. „Hey, du musst mich nicht einschließen, ich bleibe ja freiwillig!“. Er scherzte, doch er erkannte auch, wie nervös ich war und wurde ernst: „Na, was ist los, kleines Fräulein?“. Ich seufzte und gab ihm dann den Zettel. Dann bekam er eine Kurzfassung von Patricks Geschichte. „Naja, erst mal ist ein liebestoller Kerl ja kein Verbrechen, oder? Was sagt denn Ralfi dazu?“. Ich gab zu, dass er von nichts wusste. Nach der Prügelei heute war es vermutlich auch keine gute Idee, ihn einzuweihen. Er würde sich nur noch mehr Sorgen machen und er hatte schon genug Probleme am Hals. Michas ruhige und besonnene Art beruhigte mich. Solange er hier war, konnte nichts passieren. Er baute sein Feldbett auf und wir unterhielten uns noch bis spät in die Nacht. Es tat gut, einen Freund wie ihn an der Seite zu haben. Ich konnte gut verstehen, warum Ralf ihn so mochte. Äußerlich ein Bär, war er innerlich so sanftmütig wie ein Lämmchen.
Am frühen Morgen klopfte es an der Tür und ich machte auf: „Ralf! Du bist wieder frei! Geht es dir gut?“. Ich war aufgeregt und schmiss mich in seine Arme. „Endlich bist du wieder da! Ich habe mir so Sorgen gemacht!“. Ralf sah übernächtigt aus, offensichtlich hatte er im Arrest nicht viel schlafen können. Dann entdeckte er den tief schlafenden und schnarchenden Micha an der Seite meines Zimmers: „Na, was macht der denn da?“. Mit einem Grunzen wurde Micha wach und rieb sich die Augen: „Ah, der Held ist auch mal wieder da! Ich hab auf dein Frauchen aufgepasst, das war völlig durch den Wind.“
Ralf legte den Kopf schief und sah mir in die Augen: „Ist das wahr? Was war los?“. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Bedrückt sah ich zu Boden und murmelte nur ein: „Ach, nichts. Schon gut“. Ralf hatte genug eigenen Ärger an der Backe. Jetzt war es erst mal wichtig, sich um ihn zu kümmern. „Ist die Sache mit gestern jetzt eigentlich wieder okay oder kommt da noch was nach?“. Ich wusste nicht, wie die Bundeswehr solche Auseinandersetzungen handhabte. „Ich habe nachher noch eine Anhörung vor dem Major meiner Einheit und dem Colonel der Franzosen. Mal sehen, was die da so sagen.“ Ralf wirkte erschöpft. „Was kann denn mit dir schlimmstenfalls passieren?“. „Wenn sie wollen, könnten sie mich degradieren. Oder nach Hause schicken. Oder mir irgendeine Strafe aufbrummen. Ich weiß es nicht. Echt nicht. Jedenfalls schlägt das Wellen, weil ich mich eben mit einem Angehörigen einer anderen Armee geprügelt habe. Ich hätte mich nicht so provozieren lassen dürfen.“ „Nachher kann man das immer leicht sagen“, versuchte ich ihn zu beruhigen, „Das wird schon nicht so schlimm werden.“ Ich drückte ihn fest an mich und sagte erleichtert: „Ich bin so froh, das du da bist.“ Er lehnte sich ein bisschen zurück, um mir in das Gesicht sehen zu können und meinte dann ernst: „Ich auch.“
Kapitel 17
Ralf war angespannt, als er schließlich frisch geduscht und mit neuer Uniform zu der Anhörung ging. Ich drückte ihm alle Daumen, dass es glimpflich für ihn ausgehen mochte. Nicht auszudenken, wenn er nach Hause müsste oder meinetwegen seine Karriere ruiniert hätte. Ich war mindestens so nervös wie er.
Ich begleitete ihn bis vor das Büro des Colonels, wo die Sitzung stattfinden sollte und setzte mich auf einen Stuhl, der dort stand. „Ich warte hier auf dich“, sagte ich zu ihm und drückte ihn noch einmal fest. Mit
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