Fremd fischen
fensterlosen Lounge voller Zigarrenqualm.
Marcus zu küssen, ist das, was ich brauche, um Dex mehr Zeit zu geben. Das ist eher verworren als logisch, aber ich habe das Gefühl, dass dieser kleine Betrug mich auf eine Stufe mit Dex stellt, zumindest kurzfristig: Er ist verlobt, und ich küsse seinen Freund.
Hillary kauft mir diese Überlegung nicht ab. Sie ist außer sich und befiehlt mir, sofort reinen Tisch zu machen. Schluss jetzt. Es reicht.
« Nur noch ein Weilchen», sage ich.«Es ist doch erst Juli. Wir sind noch im Juli.»
Sie sieht mich skeptisch an.
« Jetzt komm schon, Hill», sage ich.«Geduld ist eine Tugend … Gut Ding will Weile haben … Die Zeit heilt alle Wunden … »
« Jaja», sagt sie.«Wie wär’s mit ‹Jetzt oder nie›? Schon mal gehört?»
« Ich werde bald etwas sagen. Wirklich.»
« Okay. Denn du kannst es wirklich nicht länger hinausschieben. Du musst ihn festnageln», sagt sie.«Dein Leben muss weitergehen, entweder so oder so. Diese Warterei tut dir nicht gut, Rach. Ich mach mir ernste Sorgen um dich …»
« Ich weiß. Ich werde was sagen», verspreche ich ihr.« Du musst bedenken, dass ich ihn seit unserem gemeinsamen
Wochenende erst einmal gesehen hab. Das war spätabends nach der Arbeit, und er ist bei mir auf der Couch eingeschlafen.»
« Tja», sagt sie wissend.
« Was, tja?»
« Tja, ist das nicht irgendwie verräterisch?»
Ich weiß, was sie meint. Dass Dex mehr Zeit für mich finden würde, wenn er mich genug liebte. Dass ich seit dem vierten Juli an Fahrt verloren habe.«Nein, es ist nicht verräterisch», sage ich abwehrend.«Wir müssen beide wie verrückt arbeiten. Les ist außer Rand und Band. Das weißt du. Wir haben buchstäblich keine Zeit, uns zu treffen.»
« Okay», sagt sie.«Ich gebe ihm noch eine Woche. Danach gibt es keine Ausrede mehr.»
Ich versuche zu verhandeln.«Zwei Wochen», sage ich und erläutere dann, dass nur ein sehr oberflächlicher Mensch ohne weiteres eine Verlobung auflösen könne. Dass die Lage sehr viel komplizierter sei, als Hillary zugestehen wolle. Dex würde mich nicht aus Jux und Tollerei hinhalten. Zumindest unsere Freundschaft sei ihm etwas wert. Und auch meine Freundschaft mit Darcy sei ihm etwas wert. Er sei integer. Er habe gesagt, dass er mich liebe. Und habe es ernst gemeint. Ich ziehe alle Register, um zugleich auch mich selbst zu überzeugen.
« Also schön», sagt sie.«Zwei Wochen. Absolutes Maximum.»
Ich nicke strahlend und denke, dass zwei Wochen eigentlich reichen dürften. Entweder so oder so.
Einstweilen habe ich eine weitere Hürde vor mir: Darcys Junggesellinnenabschied. Das Datum steht seit Ewigkeiten fest – der dritte Samstag im Juli –, aber aus
nahe liegenden Gründen habe ich den Abend noch nicht geplant. Claire ruft am Nachmittag an und will dringend Einzelheiten wissen.«Sollen wir in die Hamptons fahren oder bleiben wir lieber in der Stadt?»
« Ich weiß nicht. Was meinst du?»Ich bin abgelenkt; ich sehe gerade, dass meine Sekretärin auf einem Fax-Deckblatt, das ich nicht gegengelesen habe,«emfehlen »ohne p geschrieben hat. Wenn Les das sieht, wird er ausrasten.
« Es kommt darauf an, was Darcy möchte», sagt Claire.
Natürlich. Wie immer.
« Ja», stimme ich zu.
« Und? Was möchte sie?»Claires Tonfall besagt, dass ich das als Ehrenjungfer wissen sollte.
Ich gestehe, dass ich es nicht genau weiß.
« Dann machen wir jetzt eine Konferenzschaltung und finden es raus», schlägt Claire im Ton der Vorsitzenden des studentischen Partyplanungskomitees vor. Sie legt mich auf die Warteschleife, und als ich sie wieder vernehme, hat sie Darcy in der Leitung.
Wir stellen Darcy vor die Wahl: Hamptons oder Manhattan? Claire umreißt das Für und Wider der beiden Möglichkeiten und versichert ihr, dass es so oder so der beste Junggesellinnenabschied aller Zeiten werden wird.
Darcy sagt, ihr sei es egal. Beides klinge super. Sie ist bedrückt. Irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht ziehen zu Hause finstere Wolken auf, vielleicht wird ein Riss in der Beziehung sichtbar. Vielleicht hat Dex etwas gesagt. Hoffnung durchströmt mich, gefolgt von einer größeren Dosis Schuldbewusstsein. Wie kann ich so erpicht darauf sein, dass meine Freundin unglücklich ist?
« Dir ist es egal?», wiederholt Claire.«Das hat’s noch nie gegeben.»
« Entscheidet ihr das ruhig. Mir ist beides recht.»
« Was hat Dex denn vor?», fragt Claire. Das möchte ich natürlich auch gern wissen.
« Weiß ich
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