Fremd fischen
wenn man keine entscheidende Meinung hat?, will ich wissen. Ich liebe Madonna nicht, aber ich hasse sie auch nicht.
« Du musst dich entscheiden. Also», sagt er.«Liebst du sie oder hasst du sie?»
Ich zögere.«Na gut, okay. Ich hasse sie.»
« Gut. Ich auch.»
« Wirklich?», frage ich.
« Ja, tatsächlich. Sie ist talentlos. Jetzt bist du an der Reihe.»
« Äh … mir fällt nichts ein. Sag noch was.»
« Okay. Wasserbetten.»
« Vulgär. Ich hasse sie.»Da bin ich kein bisschen unentschieden.
« Ich auch. Jetzt du.»
« Okay … Bill Clinton.»
« Den lieb ich», sagt James.
« Ich auch.»
Wir spielen das Spiel weiter, während wir unseren Wein austrinken.
Wie sich herausstellt, hassen wir beide (zumindest empfinden wir mehr Hass als Liebe) Leute, die Goldfische als Haustiere halten, Speedo-Badesachen und Ross in der Serie Friends . Und beide lieben wir (wir haben mehr Liebe als Hass) Chicken McNuggets, Brustimplantate (hier lüge ich, nur um cool zu sein, aber zu meiner Überraschung lügt er andersherum nicht – vielleicht fürchtet er, dass ich welche habe) und Golf im Fernsehen. Uneins sind wir bei Rap-Musik (ich liebe sie, er kriegt davon Kopfschmerzen), Tom Cruise (er liebt ihn, ich hasse ihn immer noch, weil er Nicole abgeschoben hat), die Royal Family (ich liebe sie, er sagt, er ist Republikaner, was immer das heißt) und Las Vegas (er liebt es, ich verbinde es mit Würfeln und mit Dex).
Ich glaube, ich mag (nein, ich liebe) dieses Spiel. Extrem sein. Eindeutig. Alles oder nichts. Im Geiste nehme ich mir Dex vor und wäge meine Entscheidung hin und her – ich hasse ihn, liebe ihn, hasse ihn, liebe ihn. Ich erinnere mich, dass meine Mutter mir einmal gesagt hat, das Gegenteil von Liebe sei nicht Hass – sondern Gleichgültigkeit. Sie wusste, wovon sie redete. Mein Ziel ist es, gleichgültig gegen Dex zu sein.
James und ich essen zu Ende, beschließen, das Dessert wegzulassen und zu ihm nach Hause zu gehen. Er hat eine schöne Wohnung – größer als Ethans –, und sie ist voller Pflanzen und behaglicher Polstermöbel. Man sieht, dass hier kürzlich eine Frau ausgezogen ist. Zum Beispiel daran, dass das halbe Bücherregal leer ist. Die gesamte linke Seite. Wenn die Bücher nicht streng nach Eigentümer geschieden die ganze Zeit separat gestanden haben – was ich bezweifle –, hat er
seinen gesamten Buchbesitz auf eine Seite geschoben. Vielleicht, um genau zu sehen, um wie viel Prozent sein Leben ohne sie leerer ist.
« Wie hat sie geheißen? Deine Ex?», frage ich behutsam. Vielleicht sollte ich sie nicht zur Sprache bringen, aber er nimmt sicher an, dass Phoebe mich über seine Situation informiert hat. Und sicher hat sie ihn auch über meine in Kenntnis gesetzt.
« Katherine. Kate.»
« Und wie geht’s dir?»
« Bin ein bisschen traurig. Aber eher erleichtert als alles andere. Manchmal regelrecht euphorisch. Vorbei war es schon lange.»
Ich nicke, als ob ich es verstände, obwohl die jeweiligen Situationen unterschiedlicher nicht sein könnten. Vielleicht haben Dex und ich uns Jahre voller Mühe und Qualen erspart, nach denen wir trotzdem wie James und Kate geendet wären.
« Und du?», fragt er.
« Hat’s dir Phoebe erzählt?»
Ich sehe ihm an, dass er daran denkt, zu flunkern, aber dann sagt er:«Mehr oder weniger … ja … Und wie geht’s dir?»
« Ganz gut», sage ich.«Es war ’ne kurze Sache. Anders als eure Trennung.»
Aber ich glaube mir selbst nicht. Ich habe einen Flashback zum vierten Juli, und eine Woge von Schmerz überrollt mich, die mich in ihrer Intensität ganz unvorbereitet erwischt. Ich kriege panische Angst, dass ich anfangen könnte zu heulen. Wenn James noch eine Frage zu Dex stellt, wird es so sein. Aber zum Glück sind ernste Gespräche anscheinend nicht sein Ding. Er fragt, ob er mir was zu trinken bringen kann.«Tee? Kaffee? Bier?»
« Ein Bier wäre gut», sage ich.
Er geht in die Küche, und ich atme tief durch und zwinge mich, nicht mehr an Dex zu denken. Ich stehe auf und schaue mir das Zimmer an. Nur ein einziges Foto ist zu sehen; es zeigt James mit einer attraktiven älteren Frau, die anscheinend seine Mutter ist. Ich frage mich, wie viele Fotos von Kate und James bei der Trennung wohl ihren angetrauten Platz verlassen mussten. Ich frage mich, ob er sie weggeworfen oder aufgehoben hat. So etwas kann sehr viel über einen Menschen verraten. Ich glaube, jeder gehört zu dem einen oder dem anderen Lager. Ich wünschte, ich hätte
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