Fremd fischen
Restaurantbereich hinter der Bar.
Sie bleibt unvermittelt mitten im Lokal an einem Tisch stehen, der alles andere als reizvoll ist, und reicht uns zwei übergroße Speisekarten und eine Weinkarte.« Ihr Kellner wird gleich bei Ihnen sein.»
Wir setzen uns, und Marcus fragt, ob ich eine Flasche Wein möchte.
« Gern.»
« Roten oder weißen?»
« Egal.»
« Glaubst du, du isst Fisch?»Er blickt auf die Speisekarte.
« Kann sein. Aber ich hab nichts gegen Rotwein zum Fisch.»
« Ich verstehe nicht viel von Wein», sagt er und knackt unter dem Tisch mit den Fingergelenken.« Willst du mal reinschauen?»
« Schon okay. Such irgendwas aus. Wird schon recht sein.»
« Also gut. Ich versuch’s.»Er lässt sein Lächeln aufstrahlen, das mir sagt, dass er wirklich jede Nacht seine Zahnspange getragen hat.
Wir studieren unsere Speisekarten und erzählen uns, was gut aussieht. Marcus schiebt seinen Stuhl näher an den Tisch, und ich spüre sein Knie an meinem.
« Beinahe hätte ich dich nicht angerufen – wo wir doch zusammen ins Sommerhaus fahren und so weiter», sagt er, und sein Blick wandert weiter über die Karte.«Dex hat gesagt, das sei eine der Grundregeln. Lass dich nicht mit jemandem im Haus ein. Zumindest nicht vor August.»
Er lacht, und ich speichere diese Tatsache für die spätere Analyse ab: Dex hat unser Date nicht befürwortet.
« Aber dann, weißt du, dann dachte ich, was soll’s, zum Teufel – ich steh auf sie, also rufe ich sie an. Ich meine, ich hab daran gedacht, mit dir auszugehen, seit Dex uns miteinander bekannt gemacht hat. Gleich nachdem ich hierher gezogen bin. Aber da hatte ich noch was mit ’nem Mädel aus San Francisco, und ich dachte, ich sollte alles in Ordnung bringen, bevor ich dich anrufe. Weißt du, damit auch alles koscher ist. Und so hab ich die Sache schließlich beendet … Und da sind wir jetzt.»Er wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn, als habe die Beichte ihn erleichtert.
« Ich glaube, du hast die richtige Entscheidung getroffen. »
« Mit dem Abwarten?»
« Nein. Mit dem Anrufen.»Ich schenke ihm mein betörendstes Lächeln und komme mir einen flüchtigen Augenblick lang vor wie Darcy. Sie hat weibliche Attraktivit ät nicht für sich allein gepachtet, denke ich. Ich muss ja nicht immer die Seriöse, die graue Maus sein.
Unsere Kellnerin beendet diesen Augenblick.«Hallo. Wie sieht es bei Ihnen aus?»
« Prima», sagt Marcus fröhlich und fügt mit gedämpfter Stimme hinzu:«Für ein erstes Date …»
Ich muss lachen, aber unsere Kellnerin bringt nur ein
steifes, schmallippiges Lächeln zustande.«Kann ich Ihnen von unseren Specials erzählen?»
« Nur zu», sagt Marcus.
Sie blickt starr über unsere Köpfe hinweg, rattert die Liste der Specials herunter und nennt alles«schön» –«eine schöne Dorade»,«ein schönes Risotto»und so weiter. Ich nicke und höre nur mit halbem Ohr zu, weil ich daran denken muss, dass Dex gesagt hat, Marcus solle nicht mit mir ausgehen, und ich mich frage, was das wohl zu bedeuten hat.
« Möchten Sie für den Anfang etwas zu trinken bestellen? »
« Ja … ich glaube, wir nehmen eine Flasche Rotwein. Was empfehlen Sie?»Marcus späht auf die Weinkarte.
« Der Brick House Pinot Noir ist vorzüglich .»Sie deutet auf die Karte.
« Okay. Dann nehmen wir den. Ausgezeichnet.»
Sie schaut mich mit sprödem Lächeln an.«Haben Sie sich entschieden?»
« Ja, ich glaube, schon», sage ich und bestelle den Gartensalat sowie ein Thunfischfilet.
« Und wie hätten Sie den Fisch gern?»
« Medium», sage ich.
Marcus ordert den Krabbensalat und das Kalb-Special.
« Eine ausgezeichnete Wahl», sagt unsere Kellnerin mit einer affektierten Kopfbewegung. Sie sammelt die Speisekarten ein und macht auf dem Absatz kehrt.
« Mann», sagt er.
« Was?»
« Die hat wirklich null Persönlichkeit.»
Ich lache.
Er lächelt.«Wo waren wir …? Ach ja, bei den Hamptons.»
« Richtig.»
« Also, Dex sagt, es sei nie eine gute Idee, was mit jemandem aus dem Haus anzufangen. Und ich sag: ‹Mann, eure blöden East-Coast-Regeln interessieren mich nicht.› Wenn wir uns am Ende hassen, dann hassen wir uns eben.»
« Ich glaube nicht, dass wir uns hassen werden», sage ich und lächele.
Unsere Kellnerin kommt mit dem Wein zurück, entkorkt die Flasche und gießt etwas in sein Glas. Marcus nimmt einen kräftigen Schluck und sagt, dass der Wein großartig sei, er spart sich die übliche prätentiöse Zeremonie. Man kann viel
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