Fremd flirten Roman
entlang, der im Sommer von blühenden Hecken gesäumt war. Im Winter war von der Farbenpracht nicht viel zu sehen, auch das sommerliche Vogelkonzert war verstummt. Trotzdem hatte die Landschaft auch jetzt ihren Reiz. Wirklich kalt wurde es dank des Golfstroms ja nie, und dass es schneite, war so selten, dass sich viele Menschen hier gar nicht mehr erinnern konnten, wann sie das letzte Mal Schnee gesehen hatten.
»Wie war dein Tag?«, fragte ich interessiert, denn ich wusste, dass er Besuch von einer Organisation bekommen hatte, die sich für die ökologische Hofhaltung interessierte.
»Gut, aber auch etwas seltsam. Stell dir vor, eine der Frauen hatte Angst vor Obst. Ich hab ihr gezeigt, wie wir im Winter Äpfel einlagern. Ich hab einen genommen und reingebissen, um zu zeigen, dass sie frisch bleiben, und dieser Frau auch einen angeboten. Sie ist angewidert zur Seite gewichen! Später hat sie sich entschuldigt und gesagt, dass sie ein Problem mit Obst habe. Ich meine, ich habe schon viel erlebt und Engländer haben ja gern mal einen Spleen, aber das war selbst für mich erstaunlich.«
Ich musste lachen. »Obstphobien sind häufiger verbreitet, als man glaubt. Noch häufiger kommt es vor, dass Menschen nur Angst vor roten Früchten haben, aber anderes Obst essen können. Das mag lächerlich klingen, ist aber genauso ernst zu nehmen wie jede andere Phobie, schließlich ist der Leidensdruck derselbe.«
Edward sah mich interessiert an. »Fehlt dir dein alter Beruf überhaupt nicht? Therapieren, Menschen helfen?«
Ich schüttelte den Kopf und antwortete frech: »Nö, ich hab doch jetzt dich. An dir kann ich ein Leben lang rumtherapieren!«
Edward begann mich empört durchzukitzeln. Ich nahm meineBeine in die Hand und rannte, so schnell ich konnte. Doch da ich mich an Annes hartem Lauftraining nicht beteiligte, sondern durch Abwesenheit glänzte, hatte Edward mich schnell eingeholt.
Er legte seinen Arm um mich, und wir gingen zurück in Richtung Gut. Währenddessen dachte ich über seine Worte nach. Mir fehlte wirklich nichts. Kontakt mit Menschen hatte ich im Neuröschen, wann immer ich wollte, und Probleme zu lösen gab es auch dort genug. Viele Kunden schütteten mir nach wie vor ihr Herz aus, und ich gab ihnen umsonst Tipps und Ratschläge oder verwies sie, wenn nötig, an Therapeuten. Alles in allem aber hatte ich das Gefühl, mein Leben wieder zurückzuhaben, es selbst zu kontrollieren und nicht länger einfach nur zu funktionieren. Ich überlegte inzwischen immer sehr genau, bevor ich jemandem etwas zusagte, fragte mich ständig, was ich selbst wollte. Genau das war mein neues Glücksrezept.
Für meine Praxis in Berlin hatte ich inzwischen einen Interessenten gefunden. Ein ehemaliger Kommilitone von Anne und mir wollte sich als Therapeut selbstständig machen. Meine renovierten Praxisräume hatten ihm bei einer ersten Besichtigung sehr gut gefallen. Für weitere Verhandlungen wollte ich aber in Kürze gemeinsam mit Edward nach Berlin fliegen. Außerdem hatte ich vor, bei der Gelegenheit meine Wohnung aufzulösen.
»Ich reite morgen mit Liz aus. Sie nimmt mich mit, wenn sie ausliefert, und am nächsten Morgen kann mich bestimmt einer der Arbeiter mit zurück nach Brighton nehmen. Dann lass ich das Auto nämlich einfach am Neuröschen stehen!«, weihte ich Edward in meine Pläne ein, als wir an den Stallungen vorbeikamen.
Er hielt inne und nahm meine Hand. »Möchtest du eigentlich nicht endlich ganz hier einziehen? Es ist so schön, wenn du dabist. Platz haben wir genug, und auf Dauer werden wir ja nicht ständig getrennte Wohnungen haben, oder?«
Mein Herz klopfte. Ja, es klopfte immer noch und immer wieder, wenn ich ihn ansah. Nach wie vor konnte ich nicht fassen, dass wir tatsächlich zusammen waren und es ihm mit uns so aufrichtig ernst war.
Keine Sekunde musste ich überlegen und fiel ihm um den Hals. »Natürlich zieh ich zu dir! Aber wird dir nicht dein Titel aberkannt, wenn du in wilder Ehe lebst, noch dazu mit einer Deutschen?«
Edward grinste. »Wir können dich ja als meine persönliche Assistentin ausgeben, wenn dir das lieber ist.«
Als Antwort boxte ich ihn in die Rippen und hoffte, dass es wenigstens ein bisschen wehtat.
Edward nahm meine Hände in seine, sah mir tief in die Augen und holte Luft. »Ich hoffe, dir ist klar, dass es nicht bei dem Lotterleben bleiben wird, meine Liebe. Du gewöhnst dich besser schon mal daran, dass ich dir einen Antrag machen werde, mit der Absicht, dich zu
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