Fremd flirten Roman
»Das bemerke ich natürlich nur als Freund, rein platonisch!«
Anstatt zu antworten, musste ich laut lachen, und Edward stimmte mit ein.
»Was ist denn so lustig?«, hörte ich eine nasale, genervt klingende Stimme fragen, die natürlich Zicky gehörte. Sie konnte wohl nicht verstehen, wie Edward und ein Kindermädchen über etwas gemeinsam lachen konnten.
Womöglich wusste sie überhaupt nicht, wie man lachte.
Schnell räumte ich das Feld und überließ Edward galant die Erklärung. War ja schließlich seine Verlobte!
Einen Monat lebte ich nun in London und hatte mich in Hampstead und Umgebung so gut eingelebt, dass ich schon jetzt überhaupt nicht mehr nach Berlin zurückwollte. Mein altes Leben als Psychologin in der deutschen Hauptstadt erschien mir weit entfernt, so lebhaft und intensiv war mein neues Leben in den Vordergrund gerückt. Noch keine Sekunde hatte ich den Sprung ins kalte Wasser bereut. Wie auch? In Annes und Axels Familie fühlte ich mich geborgen, willkommen und vor allem gebraucht.
Vicky und Leo wuchsen mir jeden Tag mehr ans Herz, auch wenn ich die Arbeit und Anstrengung, die zwei kleine Kinder bedeuteten, unterschätzt hatte. Die erstaunlichste Entdeckung war für mich wohl die, dass man noch so tolle Pläne schmieden konnte – die Bedürfnisse und Ideen der Kinder gingen immer und überall vor. So war ich inzwischen einfach flexibel und auf alles gefasst, aber immer darauf bedacht, den beiden eine tägliche Routine zu geben und ihnen klare Grenzen zu setzen. Innerhalb dieser nicht allzu starren Routine durfte gespielt, gelacht und sich schmutzig gemacht werden. Vor allem wollte ich die Gesundheit der Kinder nicht vernachlässigen, und das bedeutete lange Spaziergänge an der frischen Luft. Was lag da näher, als diese im vor der Haustür gelegenen Hampstead Heath zu unternehmen? Jetzt mal rein objektiv gesehen, war das doch nicht verkehrt, oder? Gut, die Tatsache, dass Edward inzwischen wieder seine Spaziergänge aufgenommen hatte und wir uns auf jeden Fall alle zwei Tage über den Weg liefen, war ein netter Nebeneffekt. Aber ich hätte auch so mit den Kindern lange, ausgedehnte Parkspaziergänge unternommen, ehrlich jetzt!
Seit Edward und ich die Chemie und das Knistern zwischen uns ignorierten und uns sehr erwachsen auf eine rein platonische Freundschaft geeinigt hatten, durften wir uns im Park und wann immer wir uns auf der Hampstead High Street trafen, unterhalten und näher kennenlernen. Ist doch nichts dabei, wenn man befreundet ist …, sagte mein Verstand, denn meinem Bauch hatte ich Redeverbot erteilt.
Wir überspielten das, was gewesen war, und lieferten uns dafür einen Schlagabtausch nach dem anderen. Ein beliebtes Thema war zum Beispiel »typisch deutsch, typisch englisch«.
»Woran liegt es, Stella, dass ihr Deutschen immer noch einen so schlechten Ruf in England habt?«, foppte Edward mich.
»Das liegt daran, dass ihr so schlecht Fußball spielt und immer gegen uns verliert. Und da ihr so hundsmiserable Verlierer seid, müsst ihr eben den Deutschen euer Unvermögen in die Schuhe schieben!«, konterte ich und brachte ihn dazu, mich bis zum Frauensee zu jagen, bis ich lachend und außer Atem um Gnade flehte.
Aber auch persönliche Themen kamen nicht zu kurz.
So erfuhr ich, dass Edwards Vater vor einigen Jahren an Krebs gestorben war. Seither war er selbst Oberhaupt der Familie, die das berühmte Landgut Rouseham führte, das für seine Bioprodukte berühmt war. Seine Mutter und Schwester lebten dort, außerdem ein Onkel und eine Tante. Edward pendelte der Geschäfte und Zickys wegen zwischen London und Rouseham hin und her. Außerdem erfuhr ich, dass er Agrarwissenschaften, Literatur und Kunstgeschichte im Nebenfach in Oxford studiert hatte, was eine ungewöhnliche Mischung war, wie ich fand. Wir entdeckten unsere gemeinsame Leidenschaft für Philosophie und klassische Musik und konnten uns auch sonst über diverse Themen endlos lange unterhalten.
»Mit welchem Komponisten wärst du am liebsten ins Bett gegangen?«, fragte Edward interessiert nach, nachdem er dasselbe schon mit lange verstorbenen Philosophen durchexerziert hatte und ich mir noch am ehesten Robespierre hatte vorstellen können.
»Du hast echt ’ne Macke, aber wenn du es wirklich wissen willst, würde ich vielleicht Beethoven oder Chopin nehmen, auf keinen Fall Mozart oder Bach.«
Edward sah mich interessiert an. »Wieso nicht Mozart oder Bach?«
Da musste ich nicht lange nachdenken. »Mozart war,
Weitere Kostenlose Bücher