Fremd flirten Roman
angekommen, wo sie immer hingewollt hatte. Anne hatte mir gesteckt, dass Margit wie ich aus einfachen Verhältnissen stammte und sich im Gegensatz zu mir das Ziel gesteckthatte, es bis ganz an die gesellschaftliche Spitze zu schaffen. Auch ein Lebensziel!
Dann geschah ein Wunder: Margit richtete das Wort direkt an mich! »Sag mal, Stella, woher kennst du Edward noch mal? Ich dachte erst, du hättest bei seiner Familie gearbeitet, aber dem ist ja nicht so.«
Schau an, wenn Zicky sie da mal nicht vorgeschickt hatte! Für wie blöd hielt mich Margit eigentlich?
Am liebsten hätte ich sie ein wenig auf den Arm genommen. »Margit, du kannst doch auf keinen Fall in der Öffentlichkeit mit mir sprechen! Vor all den wichtigen Menschen! Achte lieber auf deinen Ruf!« Diese oder eine ähnliche Bemerkung lag mir auf der Zunge, doch ich verkniff sie mir. Stattdessen erzählte ich, dass Edward und ich Parkbekannte seien und öfter zusammen ein Stück spazieren gingen. Bestimmt biss Margit sich in den Hintern, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein, sich im Park die Füße zu vertreten. Anne konnte es nicht lassen, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, indem sie süffisant hinzufügte:
»Du solltest auch mal im Hampstead Heath spazieren gehen. Da triffst du jede Menge netter Leute; die Prominentendichte ist hier unfassbar hoch. Ich meine, die wohnen ja quasi alle in der Gegend.«
Margit setzte ihr künstliches Lächeln auf. Uns allen war klar, dass wir einander auf den Tod nicht ausstehen konnten und nur die Form wahrten.
Bei mir meldete sich das dringende Bedürfnis, eines der vielen Badezimmer aufzusuchen, und so machte ich mich unbemerkt davon.
Das Gästebad war so groß wie mein Zimmer damals im Studentenwohnheim. Allerdings hatte meine Studentenbude weder einen Marmorboden noch einen Spiegel mit echtem Blattgoldvorweisen können. Vor dem Spiegel prüfte ich, ob alles so saß, wie es sitzen sollte, puderte mein Gesicht nach und wollte mir gerade die Lippen nachziehen, als ich auf ein Getuschel vor der Tür aufmerksam wurde. Die eine Stimme – sie klang gepresst und hatte einen deutschen Akzent – gehörte unverkennbar Margit. Die Gute unterhielt sich mit Zicky.
Sehr unfein und gar nicht ladylike schlich ich an die Tür und presste mein Ohr an die Füllung, um besser verstehen zu können, was die beiden sprachen.
»Also, anscheinend kennen sie sich aus dem Park, und mehr scheint da auch nicht zu sein. Aber wenn du mich fragst, ist sie über beide Ohren in Edward verknallt. Ist ja auch kein Wunder. So ein einfaches Kindermädchen ist bestimmt leicht zu beeindrucken, zumal wenn es sich um einen so tollen Mann wie Edward handelt. Aber du machst dir doch nicht ernsthaft Sorgen, dass Edward was an ihr finden könnte? Ich meine, sie ist ja auf ihre Art ganz hübsch, aber dir kann sie nie im Leben das Wasser reichen!«, versuchte Margit Zicky zu beruhigen, die aber verärgert schnaubte und geradezu beleidigt antwortete:
»Sie überhaupt mit mir zu vergleichen, ist eine Beleidigung! Sie ist außerhalb meiner Klasse, und zwar in jedem Sinn! Und dass Edward an dieser deutschen pummeligen Walpurga etwas finden könnte, steht auch außerhalb jeder Diskussion. Wie ich ihn kenne, ist er einfach nur wieder einmal zu nett und will die Welt retten, indem er sein soziales Engagement neuerdings auch auf Kindermädchen ausdehnt. Er hat manchmal seltsame Freunde. Stell dir vor, der Mann vom Kiosk, bei dem er jeden Tag die Zeitung kauft, ist ein Freund von ihm. Den lädt er sogar regelmäßig ein und spielt Karten mit ihm und einem anderen Freund, der allerdings Professor in Oxford ist.«
Margit schien ebenso entsetzt zu sein ob des zweifelhaftenUmgangs, den Edward pflegte, zumindest hatte ich einen unterdrückten Aufschrei vernommen, als Zicky von dem Kioskbesitzer erzählt hatte.
»Vielleicht hat er einfach ein zu großes Herz und merkt daher nicht, was er seiner Herkunft schuldig ist«, versuchte sich Margit, die eindeutig zu oft Sissi geschaut hatte, als Adelsexpertin.
Zicky kicherte los, weil ihr wohl was Lustiges eingefallen war. »Oder er hat doch den Hang zum Personal von seinem Onkel geerbt! Ich sage dir, der hat schon das ganze Schlosspersonal hinter dem Rücken seiner Gattin durch, die bis heute an ihre große, reine Liebe glaubt, während alle anderen von diesem offenen Geheimnis wissen. Dieser Onkel trägt übrigens den Beinamen ›der volksnahe Robert‹.«
Margit, die bestimmt nur das Wort »Schloss« gehört hatte
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