Fremd flirten Roman
auswendig zu kennen, und die es nicht einmal bemerkt hatte, als dieser in eine Midlife-Crisis geschlittert war.
Nach einem Augenblick, der sich für mich wie die Verlängerung des Halbfinales gegen Italien bei der WM 2006 anfühlte, schaute er endlich wieder hoch, atmete laut durch die Nase und suchte nach Worten, was ihm recht schwerfiel. Offensichtlich hatte er vor, auf Deutsch zu antworten, um potenzielle Zuhörer auszuschließen.
»Chloe habe ich nach Hause bringen lassen. Sie muss sich ausschlafen. Du musst mich für verrückt halten!«, sagte er leise und mit dieser gewählten Aussprache, die mich schon alsAustauschschülerin im zarten Alter von sechzehn Jahren um den Verstand gebracht hatte.
Da ich nicht widersprach, redete er weiter, immer wieder unterbrochen von kleinen Pausen, weil er nach dem richtigen Wort suchte.
»Es tut mir leid, ich kenne mich auch nicht wieder. Ich fühle mich zu dir hingezogen seit dieser ersten Begegnung im Park, was aber nicht geht und sein darf, weil ich Chloe in einem halben Jahr heiraten werde. Sonst bin ich täglich im Hampstead Heath, aber als ich nur noch dorthin wollte, um dich zu sehen, habe ich es mir verboten. Es ist einfach nicht richtig! Ich bin kein Mann, der fremdflirtet. So, und du bist nicht so eine Frau, das wusste ich sofort.«
Ich war überrascht! Einerseits, weil es ihm wohl wie mir ergangen war, und andererseits, weil er so offen über seine Gefühle sprach. Das war meiner Erfahrung nach sehr untypisch für englische Männer, zumindest solange sie nicht einige Pints intus hatten.
Da saßen wir uns also gegenüber, schweigend, beide von dem spürbaren Verlangen erfüllt, den anderen zu berühren und ihn kennenzulernen, und wussten doch, dass jeder Ansatz im Keim erstickt werden musste, weil wir eben nicht mehr fünfzehn Jahre alt waren und es lustig war durchzubrennen. Nein, wir waren erwachsen und vernünftig; jeder von uns hatte seine Verpflichtungen, eine unterschiedliche Vorgeschichte und Herkunft, und wir waren beide einsichtig genug, um die Realität zu erkennen, die uns keine Chance gab.
Edward sah mich an und sprach schließlich aus, was auch mir auf der Zunge lag: »Und jetzt?«
Ich antwortete: »Entweder gehen wir uns aus dem Weg und vermeiden jeden Kontakt, was schwierig sein wird, wie mir langsambewusst wird, denn anscheinend werden sich unsere gesellschaftlichen Wege immer wieder kreuzen. Oder aber wir benehmen uns wie Erwachsene, stehen über den Dingen und wandeln das, was uns fasziniert, in eine Freundschaft um. Es passiert ja nicht so oft, dass man einen Menschen trifft, der einen gleich so unerklärlich berührt, oder?«
Edward nickte und streckte mir seine Hand entgegen. »Also Freunde! Hi, ich bin Edward und ein super Kumpel. Das sagen zumindest meine Freunde, und die sind fast alle selbst reich und verzogen und haben keinen Grund zu schleimen. Also ist vielleicht was dran.«
Ich musste lachen und streckte ihm meinerseits die Hand entgegen, die er gleich nahm und drückte. Im selben Moment durchzuckten mich kleine Stromschläge. Ihn wohl auch, denn er zog seine Hand auffällig schnell wieder zurück. Ja, das mit der Freundschaft mussten wir noch üben.
Um die Situation aufzulockern, lenkte ich das Gespräch auf das Clubhaus und den wunderschönen Raum, in dem wir saßen. Dankbar ging Edward darauf ein und erklärte mir, dass Frauen hier normalerweise keinen Zutritt hatten, da dieser Raum das Heiligtum des Clubs sei, dessen strenge Regeln seit Jahrhunderten keine Frauen als Mitglieder zuließen und sie erst recht nicht im »Winter-Salon« duldeten, wie der Raum hieß. Als er meinen erstaunten Blick sah, den er richtig deutete – ich fürchtete beinahe, jeden Moment von Security-Leuten aufgefordert zu werden, mich diskret zu entfernen –, grinste er und wechselte ins Englische, ohne dass es ihm auffiel:
»Unsere Clubregeln sind zwar streng, aber an erster Stelle steht Regel Nummer eins. Sie hat vor allen anderen Regeln Vorrang.«
»Und wie lautet Regel Nummer eins?«, fragte ich neugierig.
»Immer und unter allen Umständen ein Gentleman zu sein.Und bei einem solchen Wetter wie heute kann man diese entzückenden Damen mit ihren durchnässten Kleidern doch nicht im Regen stehen lassen. Wobei … die Alternative, zuzusehen, wie dein Kleid immer durchsichtiger wird, hätte durchaus auch ihre Reize gehabt!«, neckte Edward mich und ließ sein Grübchen-Grinsen sehen, und für einen Moment war da schon wieder dieses
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