Fremd flirten Roman
Prickeln.
Sofort protestierte ich energisch: »Hey! Wir sind Freunde! Schon vergessen?«
Schuldbewusst schaute er zu Boden, atmete tief ein und zog fragend eine Augenbraue hoch. »Vielleicht doch lieber keinen Kontakt?«
Ja!, hätte ich in diesem Moment sagen, rufen, schreien, meine Beine in die Hand nehmen und so schnell und weit wegrennen sollen wie nur möglich. Stattdessen blieb ich sitzen und schaute dabei zu, wie wir uns beeilten, einander zu versichern, dass wir das schon hinbekommen würden mit der rein platonischen Freundschaft. Wir stießen sogar mit einer Tasse Tee feierlich darauf an, während ich seine geschwungenen Lippen betrachtete, wie sie am Tee nippten, und zitternd nur daran denken konnte, wie nahe sie meinem Mund am Nachmittag gewesen waren.
»Ist Edward nicht einfach hinreißend? Also, wenn ich nicht schon meinen Heiko hätte, könnte ich für nichts garantieren!« Margit kicherte hinter vorgehaltener Hand Anne und mir zu. Eigentlich sprach sie natürlich eher mit Anne, denn ich war ja nur Personal. Warum Anne mich schon wieder zu einem höchst aufregenden gesellschaftlichen Ereignis mitgenommen hatte, war Super-Margit ein Rätsel. Die Tatsache, dass Axel heute sogar zu Hause geblieben war und freiwillig die Kinder hütete,damit Anne mit der Nanny ausgehen konnte, war für sie eine geradezu unlösbare Frage. Wenn sie ahnen würde, dass mir, nicht Anne, die Einladung galt und Anne als meine Begleitung hier war, würde Margit die Welt nicht mehr verstehen. Sie als ehemals erfolgreiche Anwältin sah sich eher mit Edwards Verlobter Zicky auf einer Wellenlänge, mit der sie sich auf dem verregneten Charity-Event angefreundet hatte. Seither hatte Margit kein anderes Thema mehr als Zicky, die sie natürlich immer bei ihrem richtigen Namen – Chloe – nannte. Sie folgte Zicky wie Bonnie ihrem Clyde und nahm, was sie sagte, als unumstößliches Gesetz. Zicky war geschmeichelt und sah Margit als netten Zeitvertreib. Gewiss würde sie jedoch nur ungern hören, wie begeistert sich Margit über ihren Verlobten Edward äußerte.
Anne lächelte Super-Margit höflich an, ließ den schwärmerischen Satz über Edward unbeantwortet und drückte gleichzeitig ihr Schienbein gegen meins, um sich abzureagieren.
Edward, den Margit gerade als »hinreißend« beschrieben hatte, hatte eine kleine, feine Runde zum Klavierabend in seine Londoner Wohnung geladen, wobei »Wohnung« nicht der passende Ausdruck war für acht Zimmer mit bisher drei gezählten Badezimmern. Werke von Chopin und Liszt standen auf dem Programm, und ein befreundeter Pianist namens Piotr gab sein Können zum Besten.
Die Atmosphäre war eine gute Mischung aus stilvoll und entspannt. Zwar hatte Edward im Salon, der einen Holzboden mit eingelassenen, geschwungenen Holzmustern vorwies, Stühle für ungefähr dreißig geladene Gäste aufstellen lassen, aber Piotr spielte nicht im Frack, sondern in Jeans und Polohemd. Zwischen den Stücken herrschte auch keine Grabesstille. Der Pianist erklärte mit einem charmanten polnischen Akzent, in welcher Verfassung und für wen die Stücke geschrieben worden waren. SeineErläuterungen waren so anregend und witzig, dass alle lachen mussten und der Abend so überhaupt nicht verstaubt wirkte.
Zwar gab es eine Haushälterin, die dezent im Hintergrund werkelte und dafür sorgte, dass stets Getränke und kleine Häppchen (wahre Kunstwerke!) vorhanden waren, ansonsten jedoch war die Veranstaltung eher familiär und ungezwungen.
In einer kurzen Pause kam Edward zu mir mit einem Glas frischem Pimm’s. Viele fanden das zweitbeliebteste englische Nationalgetränk nach Tee eher gewöhnungsbedürftig, aber ich liebte den Gin-Kräuter-Schnaps, der mit Gingerale, Gurken- und Zitrusscheiben aufgefüllt wurde und gerade im Sommer eine beliebte Erfrischung in den Pubs war.
Edward, der mit seiner Präsenz sofort jeden Raum füllte und die Blicke auf sich zog, war ein ebenso unterhaltsamer wie geistreicher Gastgeber. Ich mochte es, wenn er leger gekleidet war. Am besten gefiel mir sein Outfit für draußen mit Gummistiefeln und Cordhose sowie regenabweisender Wachsjacke.
»Fühlst du dich wohl?«, fragte er mich fürsorglich, während er mir das Pimm’s-Glas reichte. Ich nickte und nahm das Getränk entgegen.
»Übrigens, habe ich dir schon gesagt, dass du heute wieder bezaubernd aussiehst?«, fuhr er fort und lächelte mich mit warmen Augen an. Als er meine hochgezogenen Augenbrauen sah, beeilte er sich hinzuzufügen:
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