Fremd flirten Roman
zumindest nicht, falls wir planten, auch in Zukunft Kontakt mit unseren Familien zu halten.
Ich als Mädchen armer, aber rechtschaffener Eltern, die mehr schlecht als recht von ihrer Rente lebten und sich immer noch was dazuverdienten, wenn es ging, und Andrew, der aus einer Familie stammte, die von jeher an Reichtum und Privilegien gewöhnt war, waren einfach zu verschieden.
Auch wenn ich die Heiratspläne mit Andrew natürlich selbst nicht ernst genommen hatte, ging ich trotzdem schweren Herzens wieder nach Berlin zurück. Wann immer ich konnte, versuchte ich, nach England zu reisen, was durch den Aufbau der Praxis in den letzten Jahren leider nicht mehr möglich gewesen war.
Inzwischen in der Uni angekommen, betrat ich kurz daraufden hellen Gang zu Konrads Büro. Mit jedem Schritt wurde mir mulmiger zumute, und ich hoffte inständig, dass Konrad eine Vorlesung hatte und nur Frau Dampf da sein würde. Wer hätte gedacht, dass ich einmal lieber Rita Dampf treffen würde als Konrad? So ändern sich die Zeiten!
Vor seinem Sekretariat angekommen, pochte mein Herz wie wild. Ich klopfte sachte an und trat so leise ein wie nur möglich.
Frau Dampf (oder Rita, wie sie allerdings nur Konrad nennen durfte) war wieder als Sahnebaiser verkleidet. Sie schaute einfach zu viele Serien, in denen Professoren-Gattinnen in schlecht sitzenden Kostümen mit dicken Perlenketten, auftoupiertem Pagenschnitt und Siegelring dargestellt wurden. Wahrscheinlich hielt sie ihren Traum in Beige für standesgemäß und einer Frau Professor angemessen. Tatsächlich wirkte sie leider immer overdressed und so, als ginge sie gleich nach Dienstschluss zur Pferderennbahn, um noch schnell auf »Lucky«, »Silberpfeil« oder einen anderen dieser hochgezüchteten Hengste zu setzen.
Willkommen war ich in Rita Dampfs Reich nie gewesen, höchstens von ihr geduldet. Doch heute strahlte sie, als sie mich mit meinem Karton und Konrads Schlüssel in der Hand sah.
»Sie wollen die Sachen vom Herrn Professor zurückgeben, nicht wahr, Frau Raabe?«, fragte sie zuckersüß und mit einer Herzlichkeit, die sie sonst nur ihrem albernen weißen Königspudel entgegenbrachte, der ab und zu mit an die Uni durfte.
Ohne groß darauf einzugehen, stellte ich den Karton ab und legte Konrads Schlüssel obendrauf.
Frau Dampf sah mich teilnahmsvoll an und fragte mitleidig: »Wie geht es Ihnen, Stella? Was haben Sie denn jetzt vor?«
Ich wusste nicht, was schlimmer war: Mitleid von Frau Dampf, die sich natürlich kein Leben nach Konrad vorstellen konnte, oder ihr Auskunft über mein Privatleben geben zu müssen.
Was mich allerdings sehr verwunderte, war die Tatsache, dass sie so fröhlich, beinahe euphorisch war. Dies ließ in mir den Verdacht aufkommen, dass Konrad ihr seine neue Liebschaft noch nicht gebeichtet hatte und sie sich in dem Glauben wähnte, bald die Stelle als meine Nachfolgerin anzutreten.
Als ich nicht auf ihre Frage antwortete, wurde sie wieder gewohnt schnippisch und wagte tatsächlich zu sagen:
»Ich glaube ja, es ist besser so. Wenn Sie mich fragen, haben Sie nie zusammengepasst. Der Altersunterschied war einfach zu groß, und als ehemalige Studentin sind Sie ja sozusagen immer seine Schülerin geblieben. Das ist keine gleichberechtigte Partnerschaft.«
Fassungslos schaute ich die Giftspritze an, und bevor ich nachdenken konnte, sprudelte es aus mir heraus: »Ach so sehen Sie das, ja? Dann habe ich aber gleich eine gute Nachricht für Sie. Wenn Sie meinen, ich sei mit meinen zwölf Jahren Altersunterschied zu jung für Konrad gewesen, dann warten Sie mal, bis Sie meine Nachfolgerin kennenlernen. Süße einundzwanzig ist sie, übrigens auch eine seiner Studentinnen. Und nur, damit Sie nicht erschrecken, wenn sie demnächst hier vorbeischaut: Sie sieht aus wie ich, und zwar bis ins Detail. Falls Sie Konrad für sich gewinnen wollen, empfehle ich Ihnen dringend, plastische Chirurgie in Betracht zu ziehen. Seinen Typ kennen Sie jetzt ja!«
Ich kann nicht mehr sagen, ob Rita Dampf die Augen oder den Mund weiter aufriss, auf jeden Fall schnappte sie mit rot angelaufenem Gesicht nach Luft, rang um Fassung und rief abwechselnd lautstark:
»Frechheit, Lüge!«
Sie stieß diese beiden Worte so laut hervor, dass plötzlich die Tür aufging und Konrad im Zimmer stand.
Man sah ihm nicht an, dass er gerade fünfundvierzig gewordenwar und zwölf Jahre älter als ich war, was jedoch nicht an seinen neuerdings getönten Haaren lag. Die wirkten total
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