Fremd flirten Roman
unnatürlich, wie ich wieder einmal feststellte, aber nur am Rande.
Nein, Konrad hatte zum einen eine sehr große, sportliche Gestalt, ganzjährig einen gesunden Teint und wache braune Augen.
Mein Magen krampfte sich bei seinem Anblick zusammen. Ich war definitiv nicht über ihn hinweg! Meine Fluchtinstinkte schlugen Alarm, ich wollte nichts wie weg.
Als er mich sah, ging ein Strahlen über sein Gesicht. »Stella, wie schön, dich zu sehen!« Sein Blick schweifte weiter, und als er den Karton und die Schlüssel bemerkte, bat er mich in sein Büro und ignorierte die traumatisierte Frau Dampf.
Sein Arbeitszimmer sah aus wie immer. Hell, groß, mit einer schwarzen Corbussier-Couch und einem grünen Bauhaussessel eingerichtet. Mehrere in warmen Rottönen gehaltene Gemälde, die wir gemeinsam in einer kleinen Galerie in Mitte ausgesucht hatten, hingen an den Wänden, weiße Orchideen standen auf seinem Schreibtisch und dem alten, abgebeizten und dann weiß lasierten Couchtisch sowie einige schöne Coffee-Table-Bücher zum Blättern.
Postkarten, die ihm seine zahlreichen Studenten aus dem Urlaub schickten, und ein kleiner Zen-Garten, in dem er immer wieder verschiedene Muster mit der kleinen Schaufel machte, wenn er nachdachte. Das Einzige, was fehlte, war ein Bild von uns beiden, aufgenommen in einem Wiener Kaffeehaus. Konrad hatte damals eine Gastvorlesung gehalten; ich hatte ihn über das Wochenende begleitet, und wir verbrachten eine wunderschöne, romantische Zeit, was unter anderem daran lag, dass wir im alten, ehrwürdigen Hotel Imperial untergebracht waren, das seinen eigenen Charme versprühte.
An diesem Wochenende sagte Konrad, dass er sein Leben, dasja nun, wenn alles normal verlief, um einiges kürzer sein würde als meines, mit mir verbringen wollte, wenn ich es mit einem »Greis« wie ihm aushalten würde.
»Ich will gern dein Jungbrunnen sein, damit sich dein Greisentum noch möglichst lange hinauszögert«, hatte ich lachend geantwortet.
Wer hätte geahnt, dass auch Jungbrunnen altern können und ausgetauscht werden müssen!
»Ich wollte dir nur schnell deine Sachen vorbeibringen. Du musst bestimmt gleich in die Vorlesung, und ich muss auch weiter«, stammelte ich und wollte mich auf den Weg machen.
Konrad hielt mich zurück. »Wollen wir das denn nicht lieber in Ruhe heute Abend bei dir erledigen und nicht so schnell husch, husch, zwischen Tür und Angel? Wir haben so lange nicht mehr gesprochen; es gibt sicher viel zu erzählen. Davon abgesehen, bist du immer noch einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, und ich hoffe, dass wir das weiterhin füreinander bleiben werden.«
Ehrlich gesagt konnte ich darauf verzichten! Und wenn ich an etwas so überhaupt kein Interesse hatte, dann an neuen Geschichten, die er mit seiner beinahe minderjährigen Freundin und ihrer Clique so erlebte. Am Ende sollte ich noch Beifall klatschen, was für ein toller Hecht er war.
»Tut mir leid, aber ich brauche Abstand, ich kann das nicht«, sagte ich und wand mich aus seinem Arm.
Konrad stöhnte schmerzverzerrt auf.
»Was ist denn los?«, fragte ich erschrocken.
Er hielt sich seinen linken Arm und stöhnte.
O mein Gott, er würde doch keinen Herzinfarkt bekommen? Das fing immer mit Schmerzen im linken Arm an.
Hatte ihn meine Abfuhr so getroffen, und ich war schuld, wenn er jetzt starb?
»Soll ich einen Arzt rufen?«, rief ich panisch, doch Konrad winkte ab und schob seinen Ärmel hoch.
Was ich dann sah, wollte ich nicht glauben.
Er hatte sich an seinem linken Oberarm ein Tattoo stechen lassen!
Groß und deutlich stand da zu lesen: Carpe diem, und dahinter war die Andeutung eines Totenschädels gestochen. Die Wunde war noch frisch, der Besuch im Tattoo-Studio konnte nicht lange zurückliegen.
»Wir waren gestern Abend aus, und da hatten wir spontan die Idee, uns ein Tattoo machen zu lassen. Wir waren angetrunken. Deshalb hat es auch nicht wehgetan; dafür ziept es heute umso mehr. Gefällt’s dir? Hach, ich fühl mich herrlich lebendig!«
Und ich fühlte mich, als müsste ich gleich loslachen, so daneben, würdelos und lächerlich fand ich sein Verhalten.
Mal abgesehen davon, dass er nicht der Typ für ein Tattoo war und dass bei einem Fünfundvierzigjährigen, egal, wie gut er in Form ist, die Haut nicht mehr die straffeste ist, war das Tattoo als solches potthässlich!
Plötzlich merkte ich, wie Dankbarkeit in mir aufstieg, weil Konrad es mir so leicht machte, Abstand zu erlangen.
In diesem
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