Fremd flirten Roman
gewesen, als er mich vor zwei Monaten verlassen hatte, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits zum dritten Mal schwanger war und den Flug von Frankfurt nach Berlin mehr auf der Bordtoilette als auf ihrem Sitz verbracht hatte. Anne hatte bereits zwei entzückende Kinder: Victoria, auch Vicky genannt, und Leonard, den alle nur Leo riefen. Und jetzt erwartete sie das dritte Kind. Vicky, die Ältere, war fünfeinhalb und Leo fast vier. Anne war eine großartige Mutter, unaufgeregt und dabei sehr liebevoll, immer bemüht, den Kindern etwas zu bieten. So zog sie auch das volle Beschäftigungsprogramm durch. Sie unternahm mit den beiden ausgiebige Waldspaziergänge und fuhr sie zur Musikalischen Früherziehung. Jahreszeitliches Basteln wurde bei ihnen großgeschrieben. So wurden fröhlich Ostereier ausgeblasen und bemalt, Kürbisse geschnitzt, Laternen gebastelt, Kastanienmännchen gesteckt und Blätter und Kräuter gedruckt. Vicky und Leo gingen keinen Abend ohne ihre geliebte Gutenachtgeschichte zu Bett. Im Sommer fuhr Anne mit ihnen zum Badesee schwimmen, und im Herbst und Winter standen Museums- und Zoobesuche auf dem Programm; kurz, es gab nichts, was Anne nicht mit den beiden unternahm, ohne dabei Druck auszuüben. Die Kinder liebten die Unternehmungen und strotzten vor Gesundheit und guter Laune. Beide waren strohblond, mit großenblauen Kulleraugen und roten Backen. Mit der obligatorischen Schürfwunde am Knie und der ständig laufenden Nase waren sie Vorzeigeexemplare ihrer Gattung und zum Anbeißen süß, wenn auch recht anstrengend.
Annes erste beiden Schwangerschaften waren völlig problemlos verlaufen. Ausgerechnet beim dritten Kind stellten sich nun jedoch Komplikationen ein. Arme Anne! Ihr war andauernd schlecht, sie musste sich immer noch übergeben und hatte wiederholt Blutungen, was sie zum häufigen Liegen zwang. Und dies war mit zwei kleinen Kindern nicht gerade einfach, denn Anne, die mit Freude ihren Beruf an den Nagel gehängt hatte, wollte keine Nanny engagieren und kümmerte sich selbst um die Kinder. Natürlich war sie privilegiert und musste sich nicht mit dem Haushalt belasten oder ein zweites Gehalt nach Hause bringen. Trotzdem brauchte sie jetzt jemanden, der ihr mal die Kinder abnahm, wenn sie wieder liegen musste, und der mit den beiden Rackern an die frische Luft ging und sie beschäftigte.
Und dieser Jemand sollte ich sein, eine Kinderbetreuung mit psychologischem Background, eine Supernanny sozusagen. Wenn das kein Luxus war!
»Wie geht’s dir sonst so? Hast du die Schlüsselübergabe gut hinter dich gebracht?« Anne wusste, wie sehr ich mich vor dem Zusammentreffen mit Konrad gefürchtet hatte.
Als ich ihr von seinem Tattoo erzählte, konnte sie sich vor Lachen überhaupt nicht mehr einkriegen. »Mensch, was für ’ne Lachnummer! Ich glaube, es ist genau der richtige Zeitpunkt, das Land zu verlassen. Wer weiß, was er dir beim nächsten Treffen stolz präsentieren würde. Intimschmuck? ›Schau mal, Stella-Schatz, hab ich mir gerade stechen lassen. Ist zwar noch der medizinische Schmuck, aber ich hab mir schon ’nen tollen Ring ausgesucht. Allerdings kann ich mich nicht zwischen Silber undGold entscheiden. Was meinst denn du, was mir besser steht?‹ Ich fass es nicht, wie ein so intelligenter Mann wie Konrad sich so klischeehaft verhalten kann. Eine Midlife-Crisis wie nach dem Lehrbuch! Und dann auch noch als Psychologe, der es eigentlich besser wissen müsste, wobei … In der Theorie war ich ja auch immer ganz gut«, schwächte Anne ab, die im Studium hervorragend abgeschnitten, sich aber in der Praxis leider als therapeutische Null entpuppt hatte, wie sie schnell hatte einsehen müssen. Ihr fehlten die Geduld und der Riecher, das Gelernte auf echte Fälle anzuwenden.
»Ich finde, dass genug neurotische Menschen frei herumlaufen«, hatte sie damals völlig emotionslos erklärt. »Da muss ich es nicht durch eine verpfuschte Therapie noch schlimmer machen.«
Da Annes Traum eh immer eine große Familie gewesen war, fiel es ihr nicht besonders schwer, den Beruf erst mal ruhen zu lassen und sich um ihre kleinen Racker zu kümmern. Im Gegenteil. »Ich vermisse nichts, aber auch gar nichts!«, wurde sie nicht müde zu betonen. »Wenn ich mich allein daran erinnere, wie die armen, geplagten Menschen erwartungsvoll vor mir saßen, in der Hoffnung, ich könnte ihnen weiterhelfen, und ich so überhaupt nicht wusste, wie! Nein, da kümmere ich mich lieber um meine Familie. Da weiß ich
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