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Fremd flirten Roman

Fremd flirten Roman

Titel: Fremd flirten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Begründung der Jury, in Wirklichkeit gar keine Engländerin, sondern Deutsche gewesen wäre.
    Wie auch immer, eine Aschenputtel-Geschichte und dann auch noch mit einer jungen Deutschen passte eben nicht ins Konzept der englischen Upperclass. Bestimmt wurde diesen Jungs von ihren Müttern von frühester Kindheit an eingeimpft, nie unter Stand zu heiraten. Ich stellte mir die Zubettgeh-Szenen deutlich vor: erst das Abendgebet, dann gemeinsam Rule, Britannia singen und einen Gutenachtkuss von Mami. Sie löscht das Licht, geht leise hinaus, flüstert noch: »Ich hab dich lieb, Andrew!«
    »Ich dich auch, Mami!«
    »Und was machen wir nie, Andrew?«
    »Arme Mädchen heiraten!«
    Natürlich übertrieb ich da komplett, aber etwas Wahres war schon dran, wie ich selbst schmerzlich erleben durfte, als ich mich heftig in Andrew verliebte und er sich in mich.
    Andrew, so dachte ich, war keiner dieser Privatschulen-Söhnchen, dafür war er viel zu bescheiden und normal. Außerdem erzählte er nicht andauernd von Polospielen und Jagdrekorden.
    Umso schlimmer war dann die Überraschung, als er mich seinen Eltern vorstellte, die ich mir als nettes Mittelklasse-Paar vorgestellt hatte, mit Garten und Häuschen, einer Katze und selbst gemachten fish and chips. Nett waren sie zweifelsohne, aber das Häuschen entpuppte sich als eine Art Landsitz mit eigenem Tennisplatz und mehreren Gärtnern. Es gab eine teatime, und ich musste mich immer wieder kneifen, um zu glauben, dass ich gerade nicht aus Versehen in einen After-Eight-Werbespot geplatzt war und Mortimer gleich mit einem Minzblättchen um die Ecke kommen würde.
    Eingeschüchtert wäre der falsche Ausdruck für meinen Zustand an diesem denkwürdigen offiziellen Besuchstag gewesen, paralysiert trifft es besser. Ich kann nur hoffen, dass Andrews Eltern dachten, mein English sei nicht so gut oder Deutsche seien eben so komisch, doch was ich da ablieferte, war nicht gerade mein Glanzstück. Natürlich verschüttete ich den Tee, nannte Andrews Mutter dafür aber aus Versehen konsequent Ms anstatt Mrs – was ungefähr so klingen musste, als redete man in Deutschland eine Mutter mit Fräulein an. Der Hund, den ich mit Plätzchen zu bestechen versuchte, konnte mich nicht leiden oder er roch meine Angst. Auf jeden Fall knurrte er erst und übergab sich dann zum krönenden Abschluss auf den Teppich, was Andrews Eltern in helle Aufregung über die Frage versetzte, wer ihn um Himmels willen denn nur mit Plätzchen gefüttert habe. Schließlich sei der arme Hund doch allergisch gegen Nüsse!
    Die Antwort, wer wohl der Übeltäter gewesen war, lag auf der Hand. Ich meinte sogar, den Hund perfide grinsen zu sehen. Jedenfalls war die Stimmung im Eimer, und der Hund durfte zu Andrews Mutter auf den Schoß, wo er gehätschelt und gestreichelt wurde und von wo aus er mich weiterhin lautstark anknurrte.
    Andrew, der rührend bemüht war, mich ins rechte Licht zu rücken, erzählte von meinem Stipendium, dass ich Psychologie studierte und aus Berlin stammte.
    »Aus Ost- oder West-Berlin?«, fragten seine Eltern sofort nach, und als ich »Aus West-Berlin« antwortete, sahen sie sich erleichtert an und murmelten etwas, das wie Thank god! klang, weil nämlich – und damit war gleich das nächste Thema gefunden – Andrews Großvater im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft hatte und als Alliierter mit der sowjetisch besetzten Seite so gar nichts hatte anfangen können.
    Bemüht, das Thema »Zweiter Weltkrieg« nicht weiter auszubauen, lenkte ich mit einer, wie ich meinte, sehr geschickten Bemerkung ab, indem ich auf die wunderschönen Rosen in der Vase zeigte, die so wunderbar dufteten und außergewöhnlich prächtig geraten waren.
    Wer konnte auch ahnen, dass es sich um Rosen aus dem eigenen Garten beziehungsweise Park handelte, die ein einziges Streitthema zwischen Andrews Eltern darstellten? Nicht die Rosen an sich, sondern die Grundsatzdiskussion, ob man sie abschneiden oder lieber in der freien Natur genießen sollte.
    Während Andrews Eltern immer erregter (dabei aber extrem höflich und nie ausfallend) diskutierten, verabschiedeten Andrew und ich uns. Zwar wurde ich gebeten, bald einmal wiederzukommen, aber selbst ich als Nicht-Engländerin hörte die feine Nuance heraus, die klarmachte, dass diese Einladung nur aus Höflichkeit ausgesprochen worden war.
    Nach diesem Besuch kühlte unsere Beziehung ab. Es war mehr als deutlich geworden, dass Andrew und ich nicht zueinanderpassten,

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