Fremd küssen. Roman
Schickimickischicksen zu, die ihm wahrscheinlich etwas über ihren letzten Urlaub auf den Cayman Islands erzählen. Oder darüber, wie ihr Privatjet über Trinidad plötzlich Turbulenzen ausgesetzt war und der 78 er Veuve Cliquot sich über den Jil-Sander-Blazer ergossen hat. Vielleicht sind sie auch ganz einfach verzweifelt darüber, dass sie zu viel Geld haben und nicht wissen, was sie sich denn jetzt noch kaufen könnten.
Ach ja. Ach ja. Bei solchen Weibern tröste ich mich immer mit der Feststellung, dass eigentlich nur die inneren Werte zählen. Außerdem kann jeder so tun, als ob er Kohle ohne Ende hat. Meine Kollegin Britt kannte mal eine, die hat immer Gott weiß was erzählt und so getan, als ob sie hundert Millionen auf dem Konto hätte, und dann stellte sich heraus, dass die Sachen, die sie getragen hat, von C&A waren. Sie hatte sich irgendwoher die Label-Schildchen von Designern besorgt und die dann in die C&A-Klamotten reingenäht. Und die Rolex war ein Blender. Die Dame wohnte in einem Ein-Zimmer-Appartement direkt an der Straße und war keine Investmentfonds-Beraterin, sondern arbeitete beim Bäcker ›Rosenfelder‹.
Jedenfalls steht
er
da. Ein Bild von einem Mann. Ich glaube, ich habe noch nie vorher so etwas Attraktives gesehen. Er ist groß, über eins achtzig würde ich jetzt mal sagen, und er trägt nicht das übliche Schwarz wie alle anderen, sondern eine helle, sandfarbene Kombination und ein weißes Leinenhemd dazu. Unverschämt braun ist dieser Typ. Und hat braune Haare und grüne Augen. Die leuchten so sehr, diese Augen, dass ich auf Meter entfernt sehe, welche Farbe sie haben. Ich muss diesen Mann kennen lernen.
Betont desinteressiert gehe ich in die Richtung des Prinzen. Noch ein Schluck Sekt. Zum Glück ist direkt neben der Säule, an der er lehnt, eine Wand, an der ein Werk des Künstlers – wie hieß er doch gleich? – zu begutachten ist. Drei schwarze Kreuze. Sonst nichts. » 17 000 €«, steht auf einem kleinen Schildchen darunter und das Unfassbare: »Verkauft.« Fassungslos starre ich das Bild an. Wer zahlt denn so viel Geld für drei Kreuze? Egal. Langsam drehe ich mich in seine Richtung. Er sieht mich an. Er hat mich wahrgenommen. Er winkt mich zu sich. Langsam gehe ich auf ihn zu. »Hallo!«, strahlt er mich an. »Hallo!«, bringe ich heraus. Er drückt mir seinen leeren Teller und sein Sektglas in die Hand. »Würden Sie uns noch drei Sekt bringen, bitte?«, fragt er und dreht sich zu zwei Ladys um. »Ihr trinkt doch noch was,
oder?« Gnädiges Nicken. »Also dann dreimal Sekt bitte. Und nehmen Sie doch ein Tablett. Das macht das Servieren einfacher!«, belehrt er mich und zwinkert mir kurz zu, bevor er sich wieder den Ladys zuwendet.
Habe ich richtig gehört? Er hält mich für die Bedienung? Eine Frechheit. Steche ich hier so hervor, dass man zwanghaft annehmen muss, ich gehörte zum Personal? Offensichtlich schon. Beleidigt ziehe ich mich zurück. Da kommt endlich Henning. »Wo bleibst du denn?«, frage ich sauer.
»Ich gehe!«, ruft er euphorisch.
»Ich gehe mit!«, rufe ich zurück.
Er zieht mich in eine Ecke. »Das geht nicht«, flüstert er. »Ich gehe mit Naomi!« Er deutet verstohlen auf eine fünf Kilo leichte Rothaarige, die mir mit blütenweißem Gebiss ein berauschendes Lächeln schenkt. Nie im Leben heißt die Naomi. Mit Sicherheit heißt sie Marte oder Dörte.
»Und ich?«, zische ich wütend zurück und schüttle seinen Arm ab. »Mach jetzt hier keine Szene!«, ruft Henning so laut, dass Naomi-Dörte es hören
muss
. »Wir reden morgen in aller Ruhe darüber. Ich ruf dich an. Nichts für ungut!« Spricht’s und geht.
Wie ein begossener Pudel stehe ich da. Das ist wieder typisch Henning. Sobald er irgendeine Trulla gefunden hat, lässt er mich links liegen. Frustriert kippe ich noch einen Sekt auf ex hinunter.
»Na, na, na!«, tadelt mich jemand spöttisch. Ich drehe mich zur Seite. Es ist der sandfarbene Robert Redford für Arme.
»Noch einen Sekt?«, frage ich hämisch.
»Aber immer doch«, gibt er zurück und zieht mich an die Bar. »Hat Ihnen eigentlich schon mal jemand gesagt, dass gewaschenes Haar überhaupt nicht zu Ihnen passen würde?«, fragt er.
Ich hole tief Luft. Dann hole ich aus und knalle ihm eine, dass er gegen die Wand fliegt. Drei Werke von Kalodiri Monasidumo Schmidt fliegen mit ihm, sie landen alle vier gleichzeitig auf dem Boden. Dem Robert Redford springt die Lippe auf, den Werken das Glas raus und eine
Weitere Kostenlose Bücher