Fremd küssen. Roman
Wasserrohrbruch! Hier, bitte … «, und deutet auf eine Tür. Es ist das Badezimmer, wie sich gleich herausstellt. »Ich muss nur kurz runter und mein Auto in die Garage fahren, sonst zerkratzt die doofe Schlampe mir das heute Nacht!«, sagt sie und ist schon weg.
Ich denke kurz darüber nach, dass das doch alles nicht wahr sein kann, aber Richard ist schon am Handeln. »Los, die Sachen suchen«, flüstert er und ist schon im Wohnzimmer. Ich begebe mich ins Schlafzimmer und öffne einen Schrank. Was ist das denn? Lauter kleine Klamottenbündel in durchsichtigen Plastiktüten liegen dort säuberlich nebeneinander. Auf den einzelnen Tüten ist mit schwarzem Filzstift ein Datum geschrieben und noch was anderes. Ich nehme eine Tüte hoch: » 29 . 1 ., Hermann (?), abgeschleppt in der Cuba-Bar.« Auf einer anderen Tüte steht: » 4 . 5 ., Pedro, per Anhalter mitgenommen.«
Ich bekomme Panik. Hier handelt es sich um Mord! Wir müssen sofort die Polizei rufen. Wahrscheinlich haben die zwei Weiber reihenweise Männer aufgerissen und anschließend zerstückelt! Aber warum haben sie Henning dann laufen lassen? Ich finde auch die Tüte von Henning. So eine Hemdfarbe gibt es nur einmal. Erbsgrün. Zum Kotzen. Das Datum stimmt auch. Allerdings steht auch dabei: »Rausgeschmissen.«
Praktischerweise sind auch die Schlüssel und die Geldbörse in der Tüte. Ich nehme alles an mich und möchte jetzt gehen, bevor das Monster wiederkommt. Ich suche Richard. Aus dem Bad kommen Geräusche. »Komm jetzt!«, zische ich und öffne die Tür. Richard liegt unter dem Waschbecken und schraubt an irgendwas herum. »Sag mal, spinnst du?«, frage ich ihn. »Warum?«, antwortet er. »Das geht doch schnell!« »Du kommst jetzt sofort mit oder ich fahre ohne dich weg!« Das ist echt wieder typisch für Richard. Wahrscheinlich würde er auch gerne noch ein bisschen renovieren. Jedenfalls steht er endlich auf. Wir gehen zum Auto. Das Monster ist glücklicherweise nirgendwo zu sehen.
Henning ist sauer und fragt, warum wir so lange brauchen, um die paar Sachen zu holen. Da reicht es mir. »Halt die Klappe jetzt!«, schreie ich böse. »Mit deinem Scheißgemecker immer. Mach doch deinen Kram selbst und finde nochmal so ’ne Dumme wie mich, die immer alles macht und tut!« Henning blickt mich verwirrt an. So kennt er mich gar nicht. Ihr werdet euch noch alle wundern, denke ich. Ab Montag wird alles anders. Und wehe, irgendjemand aus der verdammten Redaktion kommt auf die Idee, mich noch einmal privat anzurufen, wenn ich freihabe, um mir irgendwelche Sachen aufs Auge zu drücken! Nein, o nein! So nicht. Ich werde selbstbewusst! Ich werde selbstbewusst!!! Jawohl! Plötzlich freue ich mich richtig auf den Kurs bei Chantal Döppler.
Aber was machen wir jetzt mit dem angefangenen Samstagabend? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr auf größere Aktionen, die bei unserem Glück sowieso nur im Fiasko enden. Also fahren wir nach Hause und spielen Scrabble und schauen dabei »Wetten, dass …?«. Ist auch mal schön, und es kann einem dabei nichts passieren. Später kommt noch Gero mit seiner neuen Eroberung, einem niedlichen Mittzwanziger mit halblangen blonden Haaren. Der spricht kein Wort und kniet sich auf den Boden, anstatt sich aufs Sofa zu setzen. Ich bin verwirrt. Gero zieht mich mit sich in die Küche und wispert mir zu, dass Tom sehr lange in einer sadomasochistischen Beziehung ein Sklave war und sein »Dom« ihm immer verboten hätte zu sprechen. Teilweise hätte Tom auch wie ein Hund bellen oder Pfötchen geben müssen. Aha. Die Beziehung sei erst kürzlich auseinander gegangen und er, Gero, müsste Tom jetzt langsam wieder an das normale Leben gewöhnen. Ich kapiere gar nichts und setze mich weit von Tom weg, nachdem wir das Wohnzimmer wieder betreten haben. Womöglich beißt er mir noch ins Bein. Aber Tom ist sehr brav und schlabbert artig eine Cola light aus meiner Obstschale, die vor ihm auf dem Boden steht. Nun gut. Wem es gefällt. ICH jedenfalls würde niemals vor irgendjemandem auf dem Boden knien. Das ist ja würdelos. Ein paar Wochen später werde ich noch froh darüber sein, dass ich Tom kennen gelernt habe.
7
Montag! Der große Tag! Ha! Mir geht es prächtig. Gestern war Susanne da. Sie hat mich überredet, eine Radtour mit ihr zu machen, und ich habe zugestimmt, obwohl ich gar keine Lust hatte. Erst nachdem sie mir versprochen hatte, am nächsten Biergarten Halt zu machen, ließ ich mich breitschlagen und habe die
Weitere Kostenlose Bücher