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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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abgestrampelten Kalorien sofort wieder in Form eines Eisbechers mit extra viel Schokosoße zu mir genommen. Susanne hat wie immer den ganzen Tag lang nur über Michael gelästert. Zehn Jahre hält sie es nun schon mit diesem Mann aus. Das muss man sich mal vorstellen! Zehn Jahre lang genug Geld auf dem Konto, nur Designerklamotten und 750 er Goldschmuck! Und Colliers und Breitling-Uhren! Zehn Jahre lang jedes Jahr die Karibik bereisen, und das auch noch vier Wochen am Stück. Zehn Jahre lang in einem Haus wohnen, in dem man ein Fahrrad braucht, um in weniger als einem Monat vom Nord- in den Südflügel zu gelangen. Sie hält das bald nicht mehr aus! Ob ich das denn nicht verstehen könnte? Nein, ich verstehe es nicht. Das versteht sie nicht.
    Ab heute Abend wird alles anders. Ich überlege, während ich in die Redaktion fahre, was ich zum ersten Kurstag anziehen werde. Nur nicht overdressed. Aber auch nicht zu leger. Ich werde allerdings auch jetzt gleich damit anfangen, meinen lieben Kollegen zu zeigen, dass ich nicht der Depp vom Dienst bin hier.
     
    »Die Kaffeemaschine ist kaputt!« ist das Erste, was ich von Zladko höre, als ich die Redaktion betrete. Ich ignoriere ihn. »Die Kaffeemaschine ist kaputt, Carolin!!!« Das ist schon mehr ein Bellen.
    »Warum kaufst du dann keine neue?«, frage ich, während ich meine Jacke ausziehe.
    »Na, weil du das immer … «
    »Weil du das immer machst, weil du das immer machst!«, äffe ich ihn nach. »Wenn das Klopapier alle ist, soll ich bei der Hausverwaltung anrufen, weil ich das immer mache. Wenn die PCs am Arsch sind, muss ich bei der EDV anrufen, weil ich das immer mache. Und wenn es brennt, soll ich dann die Feuerwehr rufen, weil ich das immer mache oder was?« Es kann wirklich nicht wahr sein. Ich traue diesem Chaotenhaufen tatsächlich zu, eher in Kauf zu nehmen, als Kohleklumpen in den Drehstühlen zu verglühen, anstatt selber die 112 zu wählen. Wütend werfe ich meine Jacke über den Stuhl. Zladko tuckt ins Großraumbüro zurück und murmelt etwas wie: »Heteros! Weiber. Hat die wieder ihre Tage oder was?«
    Gleich darauf läuft Henning ein. Warum muss er eigentlich immer wie ein Zehnmillionendollar-Mann irgendwo auftauchen mit wehendem Sommermantel und farblich dazu passendem Outfit? Nicht zu vergessen die schweinslederne Aktentasche. »Gucci. 800 Euro«, pflegt er beiläufig zu erwähnen, wenn irgendjemand auch nur in die Richtung der Tasche schaut. Ich grinse innerlich. Wenn ihr alle wüsstet, dass der süße Henning noch vorgestern nackt auf meinem Dachboden gesessen hat. Ohne Gucci und Armani …
    Ach, egal. Heute ist mir alles egal. Ich schließe demonstrativ die Tür meines Büros und fange an zu arbeiten. Ich freue mich auf den Kursbeginn heute Abend. Das wird sicher total toll! Bestimmt lernt man da eine Menge netter Leute kennen und vielleicht entwickelt sich ja auch die eine oder andere tiefer gehende Freundschaft daraus. Ich bin so gut drauf, dass ich tatsächlich den Mut habe, in der Konferenz den Vorschlag mit dem Partyzug zu machen. Man muss sich das mal vorstellen: zwölf Stunden am Stück durch Hessen rollen mit zwei Tanzwagen, verschiedenen DJs und genug zu trinken. So was gab es doch bestimmt noch nie! Alle sind begeistert! Mittags erstelle ich das komplette Konzept mit Finanzkalkulation und verrechne mich kein einziges Mal. So gut kann es einem gehen, wenn man sich vornimmt, sein komplettes Leben zu verändern! Als dann noch auf dem Weg zur Kantine eine Gruppe junger Männer im Vorübergehen ruft: »Boah, sieht die geil aus!«, bekomme ich einen Adrenalinstoß. Es ist doch was dran an der Behauptung, dass eine positive Ausstrahlung schön macht. (Leider habe ich erst später bemerkt, dass die Gruppe junger Männer eine 20 -jährige Praktikantin mit einem Hauch von Minirock meinte, die direkt hinter mir lief.)
    Ich blocke Forderungen und Wünsche meiner Kollegen komplett ab und ernte verständnisloses Kopfschütteln. »Sonst ist die doch nicht so … « Nenenee, sonst ist die nicht so. Das werdet ihr in Zukunft vermehrt von euch geben. Pünktlich um 17 Uhr verlasse ich die Redaktion. Auf die Frage der anderen, warum ich »so früh gehe«, und die Vermutung, dass ich entweder an einer Pilzinfektion leide oder ein Date habe, sage ich nichts. Sollen die doch denken, was sie wollen.
     
    Ach, wie schön! Aus meiner Wohnung kommt der Geruch von frischem Kaffee. Frau Eichner ist da und hat sauber gemacht. Sie sitzt mit Richard in der Küche und

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