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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Redaktion. Versuche, kalt zu duschen, aber das schaffe ich nicht. Mein einziger Lichtblick ist die Tatsache, dass ich Marius heute Nachmittag wieder sehe. Da fällt mir ein, dass ich ihn noch gar nicht gefragt habe, was er eigentlich beruflich so macht. Muss ich heute nachholen.
    Richard klingelt just in dem Moment, als ich gehen will. Er ist sehr aufgeregt. Mit Pitbull wird er heute eine Ortsbesichtigung in unserem Bald-Swingerclub machen und dann wollen sie in den Baumarkt fahren. Er, Richard, hat ab nächster Woche Urlaub und will sich ganz um die Renovierung kümmern. Ob ich später nachkomme? Ich sage ihm, dass ich das noch nicht weiß. Während ich auf dem Weg in die Redaktion bin, fällt mir siedend heiß etwas ein: Was ist, wenn Marius es ganz schrecklich findet, dass ich bald Mitbesitzerin eines so genannten anrüchigen Etablissements bin? Wird er mich dann verachten? Andererseits: Er synchronisiert auch anrüchige Filme. Also kann er eigentlich nichts dagegen haben. Und wenn doch, dann könnte ich ihm mit diesem Argument kommen. Ich muss es ja auch noch nicht gleich sagen. Man sollte nichts vom Zaun brechen, wie meine Oma …
     
    Henning erwartet mich in der Redaktion. Wir müssen heute eine Vorbesichtigung für unseren Partyzug bei den Bahnleuten machen. »Du strahlst ja so«, sagt er. »Was ist denn los?«
    Ich sage »Nichts« und strahle noch mehr.
    Er hält mich am Arm fest. »Du bist verknallt!« Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Ich strahle einfach weiter und sage nichts. Das macht Henning fast verrückt. Er muss ja immer alles wissen. Aber ich kann ja wohl auch mal was für mich behalten. Also schwebe ich auf Wolke sieben ganz alleine in meinem Glück herum. Das Positivste an der ganzen Sache: Ich habe keinen Hunger. Auf dem Weg zur Bahn AG möchte Henning zu Burger King. Gelangweilt schaue ich zu, wie er einen Doppel-Käse-Whopper verdrückt. Ich selbst verachte ja bekanntlich diesen Fastfood-Kram. Ich lebe von Luft und Liebe. Mehr brauche ich nicht. Zwei Stunden später steht fest, dass wir bald mit diesem Partyzug einen kompletten Tag lang durch unser Sendegebiet fahren werden. Mit acht DJs, Essen und Trinken und natürlich 1000 Hörern. Alle freuen sich. Ich mich nicht. Das heißt, dass ich jetzt wieder alles organisieren kann.
    Auf dem Weg in die Redaktion zurück erzählt mir Henning, dass er von einem Freund gehört hat, dass jemand in Watzelborn einen Swingerclub aufmachen will. Ich würde doch da wohnen, ob ich darüber Bescheid wüsste. Ich erstarre. Das kann ja wohl nicht wahr sein, dass so was so schnell die Runde macht. Womöglich hat Herr Kamlade wie Schublade geplaudert. Aber ich sage, dass ich keine Ahnung habe.
     
    Ab 15 Uhr werde ich nervös. Renne zwanzig Mal aufs Klo und schminke mich neu. Zum Schluss sehe ich aus wie Shirley McLaine in »Das Mädchen Irma La Douce«. Davon mal ganz abgesehen, dass ich viel zu viel Schminke im Gesicht habe, ist mein Gesicht vom vielen Abschminken und Wieder-neu-Schminken völlig aufgequollen. Zladko meint, ich sähe aus wie die Squaw in dem Dokumentationsfilm »Wäscha Kwonnesin«, der kürzlich auf ARTE lief. Alleine verantwortlich für ihre 18 -köpfige Familie, ist sie tagein, tagaus mit wettergegerbtem Gesicht in einem Einbaum auf alligatorverseuchten Flüssen unterwegs, um mit einer Holzharpune Fische zu fangen. Was zur Folge hat, dass ich mich komplett wieder abschminke. Gar nicht geschminkt sehe ich allerdings aus wie eine Fünfzigjährige, die nach einer durchzechten Nacht mit einem viel jüngeren Mann morgens qualvoll feststellt, dass sie in die Wechseljahre gekommen ist. Passend dazu fange ich auch noch an, fürchterlich zu schwitzen. Bin so verzweifelt, dass ich in der Fernsehproduktion anrufe und frage, ob eine
    Maskenbildnerin da ist, die auch noch Zeit hat. Ich habe Glück! Renne rüber in die Maske und lasse mich schminken. Sehe danach einigermaßen gut aus. Jedenfalls sagt keiner was.
    Ich gehe nicht, nein, ich schwebe Richtung Tonstudio.
     
    Marius ist schon da und strahlt mich wieder an. Sofort werden meine Knie weich. Ich halte das Lächeln dieses Mannes nicht aus, ohne wahnsinnig zu werden.
    Es ist schon merkwürdig, mit dem Typen, in den man unsterblich verknallt ist, in einem kleinen Tonstudio zu sitzen, Leuten beim Poppen zuzuschauen und selbst mitzustöhnen. Einmal schaut Marius mich an, während er eine Passage spricht: »Ja, du bist so geil. Ja. Weiter so.« Sofort werde ich rot. Die ganze Zeit muss ich

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