Fremd küssen. Roman
auf den Badewannenrand. »Er hat dich mit einer Geleebanane verglichen?«, fragt er. Ich nicke. »Das ist ja wirklich unverschämt. Erst sagt er dir so was und dann stellt sich raus, dass er was mit Susanne hat. Hm.« Er denkt nach. »Aber«, wirft er dann ein, »vielleicht hat er gar nichts mit Susanne. Vielleicht
kennt
er sie ja nur einfach so. Du hast keine Beweise. Ich finde, du solltest ihm eine Chance geben.«
»Eine Chance geben? Bist du verrückt?« Ich setze mich auf. »Die Situation war eindeutig. Daran gibt es nichts zu rütteln. Wie er sie angeschaut hat! Und ich Depp rufe noch laut: ›Willst du mit mir weggehen?‹ Also wirklich. Eine Chance geben … «
»Das musst du selbst wissen«, sagt Gero.
»Ja, ich weiß es auch selbst«, sage ich trotzig. »Du hättest mal Susannes Gesicht sehen sollen. Wie sie mich angeschaut hat. So richtig schadenfroh. So hämisch. So ekelhaft ›ichhabihnunddunicht‹-mäßig.«
»Ich denke, du bist gleich weggerannt, ohne dich noch mal umzudrehen?«, hakt Gero nach.
Das stimmt ja auch. »Aber sie hat hundertprozentig so geschaut!«, rechtfertige ich mich. »Ich kenne doch Susanne.«
»Jetzt beruhig dich erst mal«, sagt Gero beschwichtigend. »Komm, ich mach dir ’ne Spezialkopfmassagenhaarwäsche.«
Au ja. Ich liebe es, die Haare gewaschen und die Kopfhaut massiert zu bekommen. Allein deswegen gehe ich gerne zum Friseur. Das ist fast schöner als ein Orgasmus. Fast. Gero macht das besonders gut. Er weiß, wo bei mir die empfindlichen Stellen sind, bei denen ich eine Gänsehaut bekomme.
»Und ich war noch nicht mal mit ihm im Bett«, sinniere ich vor mich hin. »Wer weiß, was mir da entgangen ist!«
»Oder auch nicht«, meint Gero realistisch. »Stell dir vor, er wäre schon gekommen, während er versucht, seinen verklemmten Reißverschluss aufzubekommen. Oder er hätte dir währenddessen erzählt, wie viel Einkommensteuer er im letzten Jahr zahlen musste. Ich hatte mal einen, der sprang mittendrin auf, um einen Apfelkuchen zu backen, bloß weil er es sich am Morgen vorgenommen hatte.«
Bestimmt ist Marius auch so ein Kandidat. Ganz bestimmt. Dummerweise tröstet mich dieser Gedanke überhaupt nicht.
Nach dem Baden creme ich mich mit Bübchen-Lotion für Babys ein. Ich liebe diesen Geruch. Er erinnert einen an unbeschwerte Kindheitstage.
Gero sitzt unterdessen in einem Korbstuhl und pedikürt sich die Fußnägel. »Sag mal, hast du abgenommen?«, fragt er plötzlich.
»Findest du?« Ich schaue an mir runter. Außer Fettpolstern nichts zu sehen, finde ich. »Doch, doch«, meint Gero. »An den Hüften bist du dünner geworden. Steht dir gut.« Ich könnte ihn küssen dafür. »Aber in der Bikinizone könntest du dich mal wieder rasieren«, maßregelt er mich. »Wie sieht das denn aus? Kein Wunder, dass du keinen Sex mehr hast. Das ist ja der reinste Urwald da unten. Da braucht man ja eine Machete.«
Schwule sind immer so ehrlich. Ich liebe das an ihnen. Kotz. Jedenfalls hat Geros Feststellung zur Folge, dass ich mich rasiere. Danach fühle ich mich tatsächlich noch leichter.
Während wir in der Küche sitzen und Spaghetti essen, traue ich mich endlich, ihn nach Tom zu fragen. Er schaut mich an und grinst. »Das Ganze hatte auch sein Gutes«, sagt er. »Wir waren gestern bei einem befreundeten Tätowierer. Du kennst doch bestimmt noch den Siegfried, der früher immer diesen Stand auf dem Wochenmarkt hatte.« Ich nicke. »Na, und der hat jetzt in Frankfurt ein Tätowierstudio aufgemacht. Wollte sich verändern.« (Kommt mir irgendwie bekannt vor.)
»Und?«, frage ich.
»Na ja, er hat sich die Katastrophe, an der ja bekanntlich DU schuld bist … « Kunstpause. Ich blicke verschämt nach unten. » … angeschaut. Und jetzt geht Tom nächste Woche hin und dieser entsetzliche
Spruch, an dessen Existenz DU ja schuld bist, wird weggemacht und eine neue Tätowierung kommt drüber. Man sieht dann gar nichts mehr von der ursprünglichen Katastrophe.«
Ich will natürlich wissen, welche Tätowierung drüber kommt.
»Na, › ICH LIEBE GERO FÜR IMMER ‹«, strahlt Gero. »Das ist der größte Liebesbeweis, den Tom mir machen kann. Ich bin sehr glücklich.«
Gott sei Dank, wenigstens ein Problem weniger. »Ich bin so froh, dass wir uns wieder vertragen haben«, sage ich schließlich. »Ich finde es entsetzlich, mit dir zu streiten.«
Gero grinst. »Wir sind eben wie ein altes Ehepaar. Und da wird man sich ja wohl mal streiten dürfen.«
Wo er Recht hat, hat
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