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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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freuen. Ich würde jetzt gerne in einen Biergarten gehen!« Ich strahle ihn hoffnungsvoll an. »Ich auch!«, bringe ich heraus. »Dann wünsch ich dir einen schönen Abend«, sagt Marius. »Bis morgen!« Er schüttelt mir die Hand, dreht sich um und geht in seinem BOSS -Mantel die Straße runter. Ich stehe da wie ein Vollidiot. Na, klar, wie denn auch sonst? Der laue Frühlingsabend kommt mir vor, als würde er sich über mich lustig machen.
     
    Pitbull ruft mich kurze Zeit später auf dem Handy an. Ich stehe gerade an einer Pommesbude und schaufle mir vor lauter Frust die zweite Portion rein. Natürlich mit Currywurst. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Ich spüre förmlich, wie das Fett sich auf meinen Hüften absetzt. Bestimmt sitzt Marius Waldenhagen jetzt mit einer wunderschönen Frau in einer Gartenwirtschaft und sie essen gemütlich zu Abend und trinken nette Sachen. Die Frau isst keinen Salat ohne Dressing, sondern Sahneschnitzel, denn sie kann essen, was sie will, sieht aber trotzdem so aus, als ob sie jeden Tag drei Stunden im Fitnessstudio verbringt. Wahrscheinlich leidet sie an einer Schilddrüsenüberfunktion. »Wo bist du?«, schreit Pitbull. »Wir müssen uns unbedingt zusammensetzen wegen der Renovierung und dem Bestellen von den Sachen. Der Pinki hat jemanden an der Hand, der ist spezialisiert auf Swingerclub-Einrichtungen! Komm sofort her!« Ich sage, dass ich heute keine Lust habe, aber Pitbull lässt sich auf keine Diskussionen ein. Wenigstens kann ich ihn dazu überreden, dass wir uns im Biergarten treffen. So komme ich heute also doch noch in meinen Biergarten. Wenn auch ohne Marius Waldenhagen.
    Pitbull wartet mit Pinki im »Ahornshof«. Davon abgesehen, dass es lauter Wespen gibt und einem ständig Blätter ins Glas fallen, ist es dort sehr gemütlich. Pitbull brüllt »Alte, wir sind hier!« über die Köpfe der ungefähr zweihundert Gäste hinweg. Ich hätte ihn und Pinki allerdings auch so gleich erkannt. Denn niemand sonst im Ahornshof ist tätowiert und trägt schwarze Lederkluft und Schlagringe an den Fingern. Pinki rülpst laut zur Begrüßung, was die Leute am Nebentisch dazu veranlasst, böse zu uns herüberzuschauen und mit den Stühlen ein wenig weiter weg zu rücken. »Warum blutest du denn am Mund?«, fragt Pitbull. »Haha. Hast du deine Tage seit neuestem im Gesicht?« Wie witzig. Ich habe natürlich vergessen, mir den Ketchup abzuwischen. Ich saue mich beim Essen immer ein. Pitbull bestellt eine Runde Bier und sagt, dass Richard gleich noch käme. Wegen der Renovierungsarbeiten. Ich hoffe nur, dass Richard normal angezogen ist. Eine entsetzliche Vorstellung, dass er gleich in einem Tanzstundenkleid hier auftaucht. Aber ich glaube eh nicht, dass er wirklich kommt, denn es ist ja noch hell. Die Sonne, die Sonne.
     
    Meine Sorge ist dennoch begründet. Richard taucht zwar nicht im Tanzstundenkleid auf, aber in Rock und Bluse. Er hätte Lust gehabt, mal was »Gediegenes« anzuziehen. Seine behaarten Beine stecken in Nahtstrumpfhosen. Zu allem Überfluss trägt er zu dem Oberlehrerinnen-Outfit auch noch Turnschuhe. Aber das Schlimmste: Er hat sich so dick mit Sunblocker eingecremt, dass er noch weißer aussieht als sonst. Man könnte annehmen, er hätte in Buttermilch gebadet. Hoffentlich treffe ich keine Bekannten.
    Aber weil ja immer das Gegenteil von dem passiert, was ich mir wünsche, sehe ich just in diesem Moment Marius Waldenhagen den Biergarten betreten. Das finde ich nun wiederum frech. Ich sage ihm noch, dass ich gerne in einen Biergarten gehen möchte, er lässt mich stehen und jetzt ist er hier. Kombiniere: Er wollte auch in einen gehen, aber nicht mit mir. Ich bin ihm zuwider. Er wollte einfach nicht den Abend mit mir verbringen. Schicksal. Tja. Andererseits bekomme ich Herzklopfen. Er ist auch noch allein. Vielleicht ist das meine große Chance. Die aber von vornherein vertan ist, weil ich mit Unterweltlern am Tisch sitze. Niemand würde sich trauen, einen von denen zu fragen, ob der Stuhl da bei uns noch frei ist. Aus Angst, innerhalb von zwei Sekunden keine Innereien mehr zu haben. Oder nur noch ein Ohr.
    Was mach ich jetzt nur? Soll ich aufstehen und aufs Klo rennen? Soll ich so tun, als befände ich mich nur zufällig hier am Tisch mit diesen Menschen? Soll ich Richard töten? Soll ich so tun, als wären alle anderen Anwesenden spießig und nur ich nicht, und deswegen säße ich hier? O nein, o nein, er kommt auch noch auf uns zu. Gleich sieht er

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