Fremde Federn
Tweedears mit Lord Ardry. »Hughie hat mich auf die Spur gebracht. Weil er ewig und drei Tage über das Geschlecht der Delawares gequatscht hat.«
»Sie sind zu bescheiden«, sagte Jury.
Ellen sagte: »Mein Gott, und der Hintergedanke bei all dem war, daß es so aussehen sollte, als habe Pat sie alle umgebracht. Und Alan hätte es ja auch geschafft, weil man den Adelstitel als Motiv betrachtet hätte. Aber was ist mit Beweisen? Wie hätte er Patrick die Blockhütte in Pennsylvania unterjubeln können?«
»Solange Muldare kein wasserdichtes Alibi für diese Zeit gehabt hätte - und ich gehe mal davon aus, daß Loser auch dafür gesorgt hätte -, und solange die Polizei davon ausgegangen wäre, daß Muldare Calvert wegen des Titels erschossen hätte, wäre das alles kein Problem gewesen. Dasselbe gilt für John-Joy.«
»Und er war noch so dreist und unverfroren, auf Milos’ Hand zu schreiben. Warum ist er nicht einfach weggelaufen, gerannt, was das Zeug hält?«
»Er wollte den Kram«, sagte Melrose.
Wiggins seufzte, als die winzigen weißen Bläschen in seinem Glas zur Oberfläche hochstiegen und zerplatzten. »Jetzt werden wir nie wissen, wie es ausgegangen ist.« Als er den Kreis verständnisloser Gesichter bemerkte, fügte er hinzu: »Die Geschichte. Violette.«
»Ach!« sagte Melrose. »Keine Bange, Sergeant Wiggins. Ich habe die Auflösung hier.«
»Wo haben Sie die aufgetrieben?« Wiggins war verblüfft.
»Sie war in dem Aktenordner. In dem von Beverly Brown.« Er wandte sich an Ellen und fügte hinzu: »Dem in Ihrem Büro.«
Jury steckte sich einen Kaugummi in den Mund und schaute Melrose an.
»War sie nicht!« sagte Ellen. »Dann hätte ich sie doch gesehen.« Sie versuchte, Melrose die Seite aus der Hand zu reißen, aber Melrose schob sie weg. »Er - Alan Loser, meine ich - hatte die Papiere über den ganzen Boden verstreut. Das Manuskript war ihm völlig egal, deshalb lag diese Seite einfach zwischen den anderen.«
Jury kaute, legte das Kinn auf die Hand und starrte Melrose an.
»Ich lese mal, soll ich?«
Wiggins’ »Ja« war begierig, Ellen schmollte und sagte, sie begreife nicht, daß sie sie übersehen habe, und Jury schwieg.
Melrose rückte seine Brille zurecht, öffnete den Mund, um zu lesen, fragte dann aber: »Was fanden Sie an der Geschichte am spannendsten?«
»Nichts«, sagte Ellen und beschäftigte sich mit ihrem Notizbuch.
Wiggins zeigte mehr Enthusiasmus. »Was ist denn in dem Hof passiert? Es ist eine Art Rätsel im geschlossenen Raum, wie Poes >Der Mord in der Rue Morgue<, meinen Sie nicht auch?«
»Ach, das?« Melrose tat es mit einer Handbewegung ab. »Das ist ziemlich simpel.«
»Wirklich? Und was ist mit Violette? Wie ist sie gestorben?«
Melrose lächelte. »Wer sagt, daß sie tot ist?«
Ellen sagte, den Blick auf ihr Notizbuch gerichtet: »Ach, hören Sie doch auf. Das ist Ihre Lieblingsfrage.«
Melrose richtete seine Brille und las:
»Meine verehrte Madam, die Feuchtigkeit der alten Steine quillt unter meinen Fingern hervor wie Blut, und die Tinte, die zäh und dick durch diese Feder fließt, scheint dunkelrot auf der Seite.
Dies muß meine letzte Mitteilung an Sie sein.
Über meine Bemerkung, ich hätte während meines langen Verweilens in seinem Schlafgemach in der vergangenen Nacht nichts gesehen und nichts gehört, war M. P- so erzürnt, daß er darauf insistierte, sich in den Hof hinab zu begeben, zum Schauplatz seiner traurigen Wahnvorstellung, dieses schrecklichen Stelldicheins, dessen Zeuge er dreimal hintereinander geworden war.
Wie gern hätte ich es, wäre es möglich gewesen, bei seinen entsetzlichen Phantasmagorien belassen! War doch die Wirklichkeit so viel mehr zu fürchten!
Während wir dort unten in der pechschwarzen Dunkelheit standen, redete er immer wirrer - ein Mann, der durch einen Wahn, der ihn völlig überwältigt hatte, an die Grenzen seiner Geisteskräfte getrieben wurde -, bis er in höchster Erregung, mich davon zu überzeugen, daß alles sich so abgespielt habe, wie er es beschrieben hatte, aus einem Versteck zwei Rapiere zog, eines behielt und das andere mir zuwarf. Bis zum heutigen Tage höre ich das eisige Klirren, als die Waffe auf den Steinen zu meinen Füßen aufschlug.
Ich war entsetzt und dennoch gezwungen, dieses teuflische Schwert zu schwingen, denn M. P- begann mit seinen Stößen und Paraden. Ich bat ihn inständig, aufzuhören - er tat es nicht.
Dann lachte er. Es war indes nicht das Gelächter eines wahnsinnigen
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