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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hinaus.
    Das Regal mit den Leihbüchern war die Konkurrenz zu Long Piddletons winziger, aber gut ausgestatteter Bibliothek. Für ein Dorf dieser Größe war es ungewöhnlich, eine Bibliothek zu unterhalten, und die Dorfbewohner waren entsprechend stolz darauf gewesen, bis Theo Wrenn Browne sich entschlossen hatte, deren Nutzlosigkeit zu beweisen. Er wartete mit dem neuesten Schwung Bestseller auf und schlug damit natürlich eine gewaltige Bresche in die Benutzerschaft der Bibliothek. Denn die Bibliothek mußte auf ihre Bücher warten, während Theo Wrenn Browne seine sofort bekam, schon Wochen, bevor sie rezensiert wurden. Bei alldem war sein Motiv nicht Geld, sondern Schadenfreude.
    Während auf das Haupt des nächsten Ausleihers Worte wie Donnerschläge niederprasselten, las Jury das Schild, das die Ausleihregeln bekanntgab. Man mußte Pfandgeld hinterlassen, und es gab unterschiedliche Tarife für die einzelnen Wochentage und die einzelnen Bücher, und selbst einem Buchhalter wäre es schwergefallen, mit diesen Zahlen und Daten herumzujonglieren. Wenn es einen also nach einem neuen Buch, einem Bestseller oder seinem Lieblingsschriftsteller gelüstete, mußte man eine Menge Unfug in Kauf nehmen, und obendrein die herabsetzenden Bemerkungen Theo Wrenn Brownes.
    Als der letzte Ausleiher gegangen war, sein Buch gestempelt (seine Tage gezählt), begrüßte Theo Wrenn Browne Jury ausgesprochen begeistert.
    Jury lächelte zur Begrüßung und sagte: »Ich sehe, Sie haben einen neuen Geschäftszweig eröffnet.«
    »Ach ja, der pure Dienst an der Öffentlichkeit, wissen Sie.« Er stieß einen lustvoll gequälten Seufzer aus. »Unsere Bibliothek hinkt immer so nach, Mr. Jury. Das predige ich der Gemeindeverwaltung schon seit Jahren.«
    »Ich wußte gar nicht, daß es eine Gemeindeverwaltung gibt.«
    »O doch. Long Piddleton hat eine Menge Probleme. Jetzt dränge ich darauf, daß wir in dem Wettbewerb um das schönste Dorf Englands mitmachen. Ich sehe gar nicht ein, warum es immer die Cotswolds sein müssen - Bibury und Broadway und dergleichen -, was meinen Sie? Northants muß ja nicht für immer und ewig als Industriegegend verschrien bleiben. Ich versuche, unser Image zu verändern. Wir brauchen gute PR-Arbeit. Müssen mehr Touristen anziehen, zum Beispiel. Wissen Sie, ich habe den Eindruck, allmählich werden wir auch für die Londoner attraktiv.«
    »Was Sie nicht sagen. Mr. Browne, haben Sie eventuell Bleakhaus?«
    »Den Dickens? Ganz bestimmt. Kommen Sie mal mit nach hinten.«
    Als Jury ihm durch die vielen Regale mit Büchern folgte, dachte er, was es für eine Schande war, daß im Wrenn’s Nest so eine Giftspritze wie Theo Wrenn Browne herumlief. Es war ein hübscher Laden: schwarze Balken, glänzende Böden, gepolsterte Fenstersitze, Ecken und Winkel. Und ein umfangreiches Sortiment neuer und antiquarischer Bücher.
    »Aha. Sie mögen Dickens, nicht wahr? Na ja, jeder mag ihn. Wenn ich überlege, nach was für Mist sich die Leute die Hacken ablaufen. Ich muß es aber führen, wissen Sie. Grauenhafte Thriller, idiotische Krimis, romantischen Kitsch. Gott, hm, das bringt das Geschäft mit sich. Ich kann mich ja wohl schwerlich als Richter über den guten Geschmack aufspielen und mich weigern, Danielle Steel zu verkaufen. Jetzt muß ich sogar den Stuß von Johanna der Wahnsinnigen ordern. Meine Kunden sind bis nach Sidbu-ry und Northampton gefahren, um sie sich zu besorgen. Minderwertige Liebesschnulzen.« Er schüttelte sich wohlig und gab Jury Bleakhaus. »Aber wenigstens freut es mich, daß Sie Dickens lesen.«
    »Der Dickens ist gar nicht für mich; er ist für einen Bekannten, der überlegt, ob er gegen jemanden Anzeige erstattet. Er soll mal eine Kostprobe davon kriegen, wie die Justiz funktioniert.« Jury blätterte die Seiten durch. »Ich habe häufiger mal mit Zivilprozessen zu tun, und ich kann Ihnen sagen, weder für Geld noch gute Worte würde ich einen anstrengen.«
    Theo Wrenn Browne hob seine hübsche kleine Hand zum Mund. »Oh?«
    »Erst kürzlich habe ich erlebt, daß jemand dabei alles verloren hat - Ersparnisse, Job ...« Jury schüttelte den Kopf und seufzte. »Wunderbar. Ich nehme es.«
    Theo Wrenn hüstelte nervös. »Aber wenn man im Recht ist .«
    Jury stieß ein kurzes, bellendes Gelächter aus. »Im Recht? Was tut denn das zur Sache? Der letzte Fall, von dem ich weiß, war der eines bekannten Ladenbesitzers in Piccadilly. Die Mieter über ihm, eine Frau und ihre sechsköpfige Brut, machten

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