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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihn ein Schwall von Stimmen, und gleichzeitig hatte er das Gefühl, als ertränke er in einem Meer von Farben. Er bahnte sich einen Weg durch die Gäste, deren Blicke an der Massenkarambolage von Footballern oben auf dem Bildschirm hingen.
    American Football überstieg seinen Horizont in etwa so wie eine Mondlandung. Außer Snooker kannte er ohnehin keine Wettkampfsportarten. Snooker mochte er, weil es dabei gemächlich und leise, in anderen Worten: zivilisiert, zuging. Pool war zu leicht und Billard zu versnobt. Snooker war der perfekte Sport. Man hörte nichts als ab und zu Bälle klicken und knallen und manchmal kurzen, plätschernden Applaus. Kricket, Polo und Tennis verabscheute er. Einmal war er in Wimbledon gewesen, hatte es aber alles andere als amüsant gefunden, ein paar Osteuropäer zu beobachten, die mit Tennisschlägern durch die Gegend fuhrwerkten und mehr Energie in eine einzige Rückhand legten, als Melrose in einer ganzen Woche im Jack and Hammer verbrauchte.
    Er quetschte sich auf einen Hocker zwischen einem stämmigen Burschen mit farbverschmiertem blauen Hemd und verkehrt aufgesetzter weißer Malerkappe und einem großen Schwarzen in Leder und mit Dreadlocks. »H au das Scheissding in die Endzone!« brüllte der Maler und stieg auf seinem Hocker hoch wie ein Jockey in den Steigbügeln. Eine Frau (die Bardame, vermutete Melrose) kam am Tresen entlang, boxte dem Maler spielerisch gegen die Schulter und nannte ihn »Elroy«. Ein schwergewichtiges Paar (garantiert Mann und Frau), von Kopf bis Fuß im Footballdreß - sogar die Ohrringe der Frau waren Miniaturballträger -, bemühte sich um ihre Aufmerksamkeit, aber vergebens.
    »Was darf’s sein?« fragte sie Melrose beziehungsweise brüllte ihn mit höchster Lautstärke an, damit er sie verstand.
    Er hielt es für richtiger, auf sein Old Peculier (das sie wahrscheinlich nicht hatten) zu verzichten und etwas Amerikanisches zu bestellen. Nach einem Blick auf die Reihen Flaschen auf den Regalen hinter ihr sagte er: »Wie wär’s mit einem Amstel Light?«
    »W as ?«
    Er beugte sich über den Tresen. »A mstel L ight .«
    »M it G las , was ?«
    »W ird es nicht in G läsern serviert ?«
    Das hielt sie für einen Scherz und schaute ihn an, als ob er nicht mehr ganz dicht wäre.
    Er bemerkte, daß der Maler aus der Flasche und der
    Schwarze aus einer silbernen Dose tranken, und sagte: »Flasche.«
    »Na also.«
    Die beiden Männer neben ihm wurden durch seinen Akzent auf ihn aufmerksam. Er lächelte sie an und nickte in Richtung Fernseher. »Wer spielt - Baltimore?«
    Die beiden wechselten über seinen Kopf hinweg einen Blick. »Baltimore hat kein Team, Mann«, sagte der Schwarze, aber als sich in Stadion und Kneipe zugleich ein Schrei erhob, wandte er sich wieder dem Bildschirm zu. »Skins und Eagles, Mann. Wo kommen Sie her?« Der Tonfall der Frage (auf die Melrose eine Antwort murmelte, die man getrost vergessen konnte) implizierte, daß es dieser Planet nicht sein konnte.
    Nach einem Blick in die Runde konnte Melrose dem Mann die Frage gar nicht mehr verübeln. Ihm, Melrose, war zwar nicht entgangen, daß er sich in einem Meer aus Burgunderrot und Altgold einerseits und Grün andererseits befand, aber die auf die Trikots und Wollmützen aufgedruckten Embleme hatte er nicht registriert. REDSKINS und Eagles.
    »Verzeihung«, sagte Melrose. Eine Pause, die er für eine Auszeit hielt, erlaubte ihm, in beinahe normaler Lautstärke zu sprechen. »Bei American Football kenne ich mich nicht so aus.« Er kannte sich aber gut genug aus, um die Frau hinter dem Tresen zu bitten, seine neuen Freunde mit Nachschub an Getränken zu versorgen.
    Als die amerikanisch-britischen Beziehungen auf dem Wege der Besserung waren, sagte der große Schwarze: »Es ist ein Playoffspiel zwischen Washington und Philly.«
    »Playoffspiel?« Melrose kam es vor wie blutiger Ernst.
    »Zum Super Bowl, Mann«, sagte der Maler und lächelte breit, wobei er zwei Reihen reichlich angeknackster Zähne entblößte.
    Ja, natürlich.
    Innerlich verfluchte Melrose sich, weil er selbst Diane Demorneys rudimentäre Informationen über die Colts vergessen hatte. Vor seiner Abfahrt hatte er Diane besucht, um zu sehen, ob sie aus ihrem reichen Schatz an Geheimwissen irgend etwas sensationell Neues über Baltimore hervorkramen konnte. In Long Piddleton hielt zwar niemand Diane Demorney für intelligent, aber viele Leute glaubten doch, sie habe eine solche Allgemeinbildung. Im Grunde wußte Diane

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