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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Rituale. »Sie müssen einen Kreis beschreiten - da hinunter, herum, den anderen Gang wieder hoch, durch die Sitze und zurück. Machen Sie das zweimal. Oder dreimal. Es wirkt jedesmal. Ich habe früher heftig an Klaustrophobie gelitten.«
    »Wirklich, Sir?« Wiggins stand schon wieder auf.
    Melrose nickte und zerbrach sich weiter den Kopf über den Trip nach Bury St. Edmunds. Hatte er im Schlaf geschrieben?
    Und da fiel es ihm siedendheiß ein. Er hatte vergessen, Marshall Trueblood zu fragen, ob er ihr Notizbuch aus Mrs. Withersbys Eimer gerettet hatte. Er fing an, die Haut um seinen Daumennagel anzuknabbern. Hatte Trueblood sicherlich. Wenn diese Withersby es fand, würde sie es nämlich nur gegen Lösegeld abgeben. Na ja, von hier oben aus konnte er eh nichts machen.
    Hatten sie vielleicht ein bißchen zu dick aufgetragen, fragte er sich, als Wiggins über seine Beine zurückkletterte.
TEIL II
NICKEL CITY
Kapitel 9
    Ellen Taylor war noch ganz die alte. Vielleicht trug sie sogar dieselben Klamotten wie damals: Jeans, schwarze Lederjacke und den Kettenhemdschmuck. Ihr weißes T-Shirt zierte eine Comic-Kinderfigur mit Quadratschädel und stacheligen blonden Haaren, die »Yo Dude« sagte. Die Lederjacke hatte Ellen sich unter den Arm geklemmt, und als die drei näher kamen, schob sie sie vor lauter Vorfreude und Nervosität unentwegt mal unter den einen Arm, mal unter den anderen.
    So aufgeregt sie war, so eindeutig versuchte sie, es zu verbergen. Sie setzte eine geistesabwesende Miene auf und schaute sich ausführlich im Terminal um, als wolle sie nicht nur Melrose, Jury und Wiggins, sondern einen ganzen Troß Leute abholen.
    Während Melrose seinen Kalbslederkoffer vom Fließband zerrte, sagte sie: »Na, wenigstens schleppen Sie nicht tonnenweise Gepäck mit.«
    Wenigstens? Welchen Verstoß gegen die Reiseetikette hatte er sich denn sonst noch schuldig gemacht?
    Sie war entzückt, daß sie Sergeant Wiggins, den sie gar nicht kannte, und Richard Jury, den sie, wenn auch nur kurz, kennengelernt hatte, mit Aufmerksamkeit überschütten konnte. Sie wollte ja nicht den Eindruck erwecken, als sei sie sich der Mühen, derer sich andere ihretwegen unterzogen, nicht bewußt oder etwa nicht dankbar dafür. Melrose stand auf einem ganz anderen Blatt. Er war ein alter Freund (schien sie mit Freuden vorzugeben), den man behandeln konnte, als gehöre er zum Inventar.
    Um so flattriger wurde sie, als Melrose seinen Koffer absetzte, sie rasch in die Arme nahm und herzlich und fest drückte und auf die Wange küßte, bevor er in aller Gemütsruhe zurücktrat und zusah, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Um ihn nicht anschauen zu müssen, nahm sie das Gepäck ins Visier und fragte, ob der bordeauxrote Koffer und die dunkelblaue Leinentasche ihnen gehörten. In ungefähr dem Ton, in dem die Sicherheitsbeamten in London Heathrow Melrose und seine Reisegefährten ins Gebet genommen hatten.
    »Wir haben sie nicht unbeaufsichtigt gelassen. Wir haben sie selbst gepackt. Niemand hat uns Päckchen zugesteckt, die wir außer Landes bringen sollten«, sagte Melrose.
    Jury lachte. »Genau.«
    »Wie bitte?« Langsam wichen die roten Flecken aus Ellens Gesicht. Make-up trug sie nicht, nur Lidschatten in Farbnuancen von dunkelbraun über khaki bis champagnerfarben. Aber all die kunstvolle Schminkerei war vergebliche Liebesmüh, größer konnten ihre großen braunen Augen gar nicht mehr werden. Melrose hatte Ellen immer sehr hübsch gefunden, ihr dreieckiges Gesicht, das freche Kinn, die klare Haut. Ihr Haar war weizenblond und so lang, daß es die schulterlangen Metallohrringe fast verdeckte, die klimpernd hin- und herschwangen, wenn sie den Kopf bewegte.
    »Fahren wir mit Ihrem Motorrad?«
    Das schien sie gar nicht witzig zu finden. »Es ist in der Werkstatt. Wir nehmen ein Taxi.«
    »Oh, nein, den nehm ich schon, Miss«, sagte Wiggins, als sie einen Rucksack schulterte.
    »Schon gut, ich trage gern was.«
    Das bezweifelte Melrose. Er glaubte, daß sie sich das Ding auf den Rücken hievte, weil sie so aufgeregt und nervös war und um jeden Preis eine Ablenkung brauchte.
    Während sie sich zum Ausgang vorarbeiteten, erkundigte sie sich, wie der Flug gewesen sei, und Wiggins tat ihr den Gefallen, die Einzelheiten zu schildern. Den ganzen Weg durch die weite Eingangshalle redete er auf sie ein, die Rampe hinunter und durch die Tür hinaus in den kalten Wind eines Nachmittags in Maryland.
    Jury saß vorn beim Fahrer, die anderen drei hinten, Ellen

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