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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nichts; die Fetzen an Informationen waren zwar Legion - das mußte man ihr lassen -, aber sie trieben wie Treibholz im Meer. Den meisten ihrer Bekannten war nicht klar, daß Diane zwar Spitzen austeilen konnte, es sich dabei aber nicht um die Spitzen eines Eisberges an Wissen handelte.
    »Die Orioles«, hatte sie gesagt, als Melrose sie nach Baltimore fragte. Er hatte in ihrem grellweißen Wohnzimmer gesessen und einen »Martini« getrunken. Diane rührte mit einem langen gläsernen Cocktailstab, in dem Sternchen in violettfarbenem Öl schwammen, in ihrer Karaffe Wodka, gegen den der Wermut heute wieder den kürzeren gezogen hatte. Als Preis für Dianes Hilfe hatte Melrose die Einladung, auf einen Drink vorbeizukommen, annehmen müssen. »Eine tolle Mannschaft«, sagte sie und klopfte mit dem Glasstab an den Krug. »Baltimore wimmelt von fanatischen Baseballfans.« Sie reichte Melrose eines ihrer sonnenschirmgroßen Gläser und nahm auf dem weißen Sofa neben ihrer fiesen weißen Katze Platz, die Melrose haßerfüllt anstarrte, seit er in den formlosen, grundlosen weißen Ledersessel gesunken war. »Zum Beispiel Orel Hershiser, wenn Sie sich dafür interessieren.«
    »Er spielt bei den Orioles?« Melrose ließ die Katze nicht aus den Augen.
    »Nein, nein. Bei den Los Angeles Dodgers. Ohne ihn hätten sie die Series 1988 nie gewonnen.«
    »Ich dachte, die hießen Brooklyn Dodgers.« Die Katze kämpfte mit sich und reckte das Hinterteil, als wolle sie jeden Moment auf ihn losgehen.
    »Hießen sie auch, aber das Team wurde nach L. A. verkauft. Da nehmen sie den Namen mit. Bei den Colts war es genauso. Baltimore Colts hießen sie früher.«
    Er stellte ihr noch mehr Fragen, aber sie hatte ihren Fundus an Baseball-Football-Wissen deutlich erschöpft. Umstandslos ging sie zu Edgar Allan Poe über, den sie zwar nie gelesen hatte (wußte Melrose), über den sie aber ein Detail wußte, das sie für schlüpfrig hielt, daß er nämlich »seine Cousine geheiratet hat, die zu der Zeit erst vierzehn war«.
    Dieser üblen Nachrede nahm Melrose mit dem Hinweis alle Süße, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts seien Eheschließungen zwischen Cousins und Cousinen keineswegs unüblich gewesen und Mädchen hätten oft unter zwanzig, ja selbst als Dreizehn-, Vierzehnjährige geheiratet.
    Aber da hatte Diane schon aalglatt zur Regierung Clinton übergeleitet, obwohl sie politisch noch unbedarfter war als literarisch. Nachdem sie Melrose darüber belehrt hatte, daß Perry Como der einzige Demokrat sei, der George Bush geschlagen hätte, trank er sein Glas aus, machte einen weiten Bogen um die Katze und ging.
    Ein schwarzer Spieler fing einen Paß ab, Elroy stieg in die Steigbügel und brüllte: »Los, Art!«
    »Sie sind wohl nicht von hier«, sagte der Schwarze während der nächsten Auszeit. Er hieß Conrad. Nach seinem Handschlag fühlte Melrose vorsichtig, ob seine zarten Knochen auch noch alle heil waren. Nein, er sei nicht von hier, gestand er, und dann folgte ein kurzes Gespräch über eher langweilige Themen wie Regierungschefs und Politik, wie Melrose Baltimore gefiele und ob er in die »Mords-Stadt« fahre.
    »Wie bitte?«
    Conrad gluckste: »D. C, Mann. Die Kapitale des Crack.«
    Elroy, der den Blick nicht einmal während der Werbespots vom Bildschirm nahm, sagte: »Philly ist schlimmer.«
    Darüber entstand eine Diskussion, die in regelmäßigen Abständen von Kraftausdrücken, Sticheleien und Beifallsrufen in Richtung Fernseher untermalt wurde.
    »Schade, daß Baltimore keine Mannschaft hat. Haben die Colts nicht -«
    Einen heiklen Moment lang drehten sich beide zu ihm um und schauten ihn böse an, aber dann sagte Elroy: »Na ja, vielleicht sind wir auch mal wieder am Ball.«
    »Null Chance«, sagte Conrad (»Connie« für die junge Frau hinterm Tresen). »Scheiße, Elroy, hier sitzen wir eingekeilt zwischen die Skins und Eagles.«
    Klang ungemütlich, dachte Melrose und stimmte vor-sichtshalber in ihr bitteres Kopfschütteln ein. Er war froh, daß Jury und die anderen ihn nicht so sahen.
    Das Spiel ging weiter, und am Tresen schwollen rhythmische Anfeuerungsrufe an: »De-fense! De-fense!« Dazu wurde mit Flaschen und Gläsern auf den Tresen gehauen; es klang wie Urwaldtrommeln.
    Begeistert dabei war ein junger, hellhaariger Mann, der nicht nur wegen seines dynamischen Gesangs, sondern auch deshalb hervorstach, weil er überhaupt keine bunten Sachen trug, weder Redskins-Schal noch Eagles-Sweatshirt, kein Burgunderrot, kein Grün,

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